So funktioniert der erste dezentrale Euro-Stablecoin

Der dEuro öffnet eine neue Welt des Kapitalmarktes

Keine Intermediäre, alle Transaktionen finden direkt zwischen den Nutzern nach den im Software-Protokoll festgelegten Regeln statt. Willkommen in der Welt des dezentralen Stablecoin dEuro, mit allen Chancen und Risiken.

Der dEuro öffnet eine neue Welt des Kapitalmarktes

Der dEuro öffnet eine neue Welt des Kapitalmarktes

Regulatorisch als dezentraler Stablecoin zwischen allen Stühlen – Governance-Token ermöglichen Abläufe wie in Aktiengesellschaften – Verzinsung ist reizvoll

Von Björn Godenrath, Frankfurt
Von Björn Godenrath, Frankfurt

Die Ausgangslage im Stablecoin-Markt sieht so aus: US-Anbieter wie Tether und Circle prägen das Geschehen und ihre Dollar-Stablecoins dominieren das Transaktionsgeschäft, für das diese Finanzprodukte als Dollar-Äquivalent eingesetzt werden. Euro-Stablecoins spielen bislang keine spürbare Rolle, auch wenn mit der Micar-Verordnung als Ergänzung der Mifid erstmals ein eigenständiger EU-Rahmen für Krypto-Assets vorliegt und regulierte Euro-Stablecoins auf den Markt kommen. Die Volumina bleiben dennoch gering – auch wenn mittlerweile elf Firmen als Emittenten für E-Money-Token in der EU zugelassen sind.

Weder Micar noch Mifid greifen

Bislang ausgeklammert von der EU-Regulierung sind dezentrale Stablecoins, auch wenn sie Michael Wild von der Digital Euro Association (dEuro Association) zufolge grundsätzlich als Crypto Asset bzw. E-Money Token im Rahmen der Micar qualifiziert wären. „Die Micar findet aber nur Anwendung, wenn keine andere Regulierung wie die Mifid greift – und da ist es so, dass dezentrale Stablecoins nicht als Finanzinstrument nach Mfid2 klassifiziert werden, da sie keine Eigentumsrechte an einer Entität verbriefen oder mit Rückzahlungsverpflichtungen verbunden wären. Und in der Mifid werden nur Finanzprodukte erfasst, wo immer eine zentrale Gegenpartei als GmbH oder AG rechtlich verankert ist.“

Von da aus geht die wilde DeFi-Reise los

Mit dem dEuro als erstem dezentralen Stablecoin mit dem Euro als Referenzwährung betritt der von Wild als Geschäftsführer geführte Schweizer Verein (dEuro Association) also Neuland. Der Start war Ende März. Das Modell ist erklärungsbedürftig: Nutzer erzeugen den Stablecoin eigenständig über die Blockchain, sobald sie digitale Vermögenswerte als Sicherheit in der App hinterlegt haben. Und von da aus geht die wilde DeFi-Reise los, wobei der dEuro einen wichtigen Aspekt erlaubt: Im Unterschied zu zentralisierten Stablecoins, bei denen Zinszahlungen laut Micar nicht erlaubt sind, können dezentrale Varianten wie dEuro Zinsen gewähren.

Drei Säulen von Sparen bis Equity

Das Spektrum des dEuro ist aber breiter und umfasst drei Säulen. Das fängt mit Sparen („Saving“) als Modul an. Wer dEuro erworben hat, deponiert die Gelder als Sicherheiten auf der Plattform und erhält dafür eine Verzinsung – derzeit sind es 10%. Für die zweite Säule „Equity“ muss man tiefer eintauchen in das Design des Ökosystems: Es können sogenannte nDeps-Token erworben werden, die den Inhabern Rechte am Protokoll selbst als „Protocol Shares“ verbriefen – es ist ja alles nur Code, was in der Struktur analog ist zur E-Mail, die über digitale Kanäle fließt.

In DeFi kann jeden Tag Hauptversammlung sein

Dabei fungieren die nDeps im Kreislauf der DAO (Decentralized Autonomous Organization) als regelnde Einheit und werden als Governance-Token bezeichnet, über die mit den Stimmrechten dann Strukturen im DAO festgelegt werden: Wie viel Zinsen sollen gezahlt werden? Was wird an Gebühren berechnet beim Listing von Sicherheiten? Und wie viel wird bei Liquidationen von Sicherheiten einbehalten? Das wird bei Abstimmungen in der DAO geklärt – wobei jeder, der über Stimmrechte verfügt, solche Abstimmungen beantragen kann. Solche DAO-Strukturen sind in DeFi schon seit Jahren erprobt. Die Ergebnisse sind nicht immer glänzend, aber doch in ihrer Anlehnung an traditionelle Abläufe von Aktiengesellschaften wie Hauptversammlung (HV) mit Abstimmung grundsätzlich funktional – nur dass in DeFi jeden Tag HV sein kann.

Kredit auf deponierte Bitcoin

Die dritte Säule im Ökosystem ist der Kredit („Lending“). Wer sich dEuro leiht und dafür Bitcoin, Ether oder ein anderes tokenisiertes Finanzinstrument als Sicherheit („Collateral“) hinterlegt, kann den Stablecoin dann nach Gutdünken einsetzen. Das ist wichtig für den Geldkreislauf in DeFi, bürgen Stablecoins doch mit ihrer Reserve und Besicherung für einen verlässlichen Wert, der sich für andere Onchain-Trades einsetzen lässt. Bis zu 30% Kredit kann man in der App auf seine hinterlegten Bitcoins erhalten, sprich damit wird das Bitcoin-Guthaben liquide, ohne dass man das Eigentum daran verliert. Dafür muss man im Gegenzug aber immer flüssig sein, wenn sich Marktpreise ändern. Denn dann gibt es möglicherweise (über das System sind Schwellenwerte dafür festgelegt) Margin Calls. Sprich, dann muss bei den Sicherheiten nachgelegt werden. Bleibt das innerhalb einer vorab festgelegten Frist aus, kassiert die Plattform die Sicherheiten ein und gibt diese zur Auktion frei. Das kann dann den Inhabern der Governance-Token für künftige Ausschüttungen zugutekommen und die beliehene Kreditsumme ausgleichen.

Ökosystem in der Schweiz verankert

Das grundlegende Software-Protokoll wurde in der Schweiz entwickelt. Das daran andockende Ökosystem wird über die dEuro Association mit Michael Wild als Geschäftsführer sowie DFX-Gründer Cyrill Thommen als Chairman des Vereins weiter vorangetrieben. Thommen hat auch schon einen Franken-Stablecoin auf den Markt gebracht. Die Stiftung sei im Grunde eine Tochter der DFX AG, die als regulierte On-/Off-Ramp auch Ein- und Auszahlungen von Giralgeld (sfr und Euro) vornehmen kann, sagt Wild. Das heißt, die DFX ist zum einen mit dem Stellen des initialen Budgets der Hauptfinanzierer von dEuro und zum anderen ein Dienstleister für das Aufgleisen von Funktionalitäten wie Zahlungsverkehr.

Ein Token wie ein Vorzugsaktie

Die nächste Besonderheit: Auf der dEuro-Plattform gibt es einen Stablecoin und zwei weitere Token: Neben dem Governance-Token mit Stimmrechten und Dividendenanspruch ist das der Deps-Token, der wie eine Vorzugsaktie gestaltet ist, also mit Anspruch auf Ausschüttung, aber ohne Stimmrechte.

„Dieser Token soll später ins Listing an Kryptobörsen gehen, sodass auch Investoren außerhalb der App-Incentives an der Entwicklung partizipieren können." Der große Mehrwert vom Deps seien die Ausschüttungen der Profite, die der Halter aus dem Protokoll erhält sowie die hoffentlich zu erwartende Kurssteigerung des Tokens, sagt Wild.

Partnerschaften in Arbeit

Zum Ende des zweiten und dritten Quartals sollen die Listings auf zentralen (CEX) und dezentralen (DEX) Handelsplätzen wie Uniswap und anderen stattfinden. Richtung Jahresende will Wild Partnerschaften eingetütet haben, wobei eine Vereinbarung mit einem Dienstleister für die Tokeniserung von Assets kurzfristig bevorsteht. Damit kann das Universum an Einzahlungs-Optionen für das Minten (Prägen) von Stablecoins wachsen sowie vor allem die schnelle Stellung von Sicherheiten erweitert werden. Große Kryptobörsen zeigten schon Interesse, den dezentralen Stablecoin auf ihren Plattformen und Wallets zu integrieren. Auch sei das Protokoll aktuell dabei weitere Investoren für die Equity Säule und für Liquidität (Savings) zu gewinnen, um möglichst schnell weiter zu skalieren, da dEuro nun bereits größer und profitabler ist als vergleichbare zentral gestartete Konkurrenten, so Wild.

Schnell profitabel geworden

An die Partnerschaften anknüpfend ist Michael Wild derzeit dabei, erste institutionelle Investoren für die Plattform zu begeistern, sodass dEuro mit dem Aufgleisen von Digital-Asset-affinen Vermögensverwaltern zusätzliche Liquidität auf die Plattform bekommt. In 12 bis 24 Monaten soll die kritische Größe von über 100 Mill. Euro erreicht sein. Auf der Plattform befinden sich nach knapp sechs Wochen schon Assets im Wert von 2,6 Mill. Euro, wobei die Reserven 3 Mill. Euro betragen. „Damit ist die Plattform schon profitabel für die bestehenden nDeps und Deps Token Halter.“

Keine Intermediäre, alle Transaktionen finden direkt zwischen Nutzern nach den im Software-Protokoll festgelegten Regeln statt. Willkommen in der Welt des dezentralen Stablecoin dEuro, der aus der Schweiz heraus betrieben wird - und im Gegensatz zu Micar-Stablecoins Zinsrenditen auf Einlagen ermöglicht.

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