Wohnungsnot

Spaniens Kampf gegen Airbnb

Ein Ansturm von Touristen bei wachsender Wohnungsnot: Die Proteste gegen den Massentourismus werden in Spanien immer lauter. Eine neue Registrierungspflicht setzt Airbnb unter Druck - wird das Problem aber nicht lösen.

Spaniens Kampf gegen Airbnb

Spanien zwingt Airbnb zum Vorgehen gegen illegale Ferienwohnungen

Neue Registrierungspflicht könnte bis zu 70 Prozent des Angebots vom Markt nehmen - Experten: Touristenunterkünfte nur Teilproblem der Wohnungsnot

ths Madrid
Von Thilo Schäfer, Madrid

In spanischen Comedyshows werden Witze über die zahlreichen Proteste gegen den Massentourismus, mit ihren fotogenen Inszenierungen und Wasserpistolen gemacht. Diese könnten bald selbst zu einer Tradition reifen, die neugierige Touristen ins Land zieht. Das geht natürlich am Ernst der Sache vorbei. Auch diesen Sommer protestieren wieder viele Menschen gegen die Folgen des „overtourism“ in den beliebten Großstädten und Feriengebieten am Meer.

Der Ärger richtet sich vereinfacht gegen einen Namen: Airbnb. Die Plattform für die Vermietung von Ferienwohnungen steht auch im Brennpunkt der Maßnahmen der politisch Verantwortlichen. Das Unternehmen sieht sich als „Sündenbock“, in Worten von Jaime Rodríguez, dem Manager für Spanien und Portugal.

Illegale und legale Angebote erkennen

Die spanische Regierung meint es ernst mit dem Kampf gegen die Ausbreitung von Ferienappartements. Seit Dienstag gibt es auf Anlass einer EU-Bestimmung ein Register. Vermieter müssen eine entsprechende Nummer für ihre Wohnung erhalten, um diese auf den Plattformen wie Airbnb oder Booking.com anbieten zu können. Dabei geht es darum, die illegalen aus den legalen Angeboten auszusieben, aber auch um mehr Transparenz. „Oft wird als Vermieter irgendein Manuel angegeben, doch dahinter können große Anbieter wie Finanzinvestoren stecken“, erklärt Jaime Jover, Spezialist der Universität Sevilla.

Im Vorfeld dieses neuen Registers forderte das Verbraucherschutzministerium im Mai die Plattformen auf, 65.000 Anzeigen von illegalen Ferienwohnungen zu löschen. Die Nachricht aus dem wichtigen spanischen Markt ließ den Aktienkurs von Airbnb um 3% purzeln. Gerichtliche Anfechtungen schlugen fehl. Nun zeigt sich das Unternehmen kooperativ und lässt keine Anzeigen für Wohnung ohne die neue Lizenznummer zu. Airbnb bietet den Kunden sogar Hilfe bei der Umsetzung an.

Nach dem letzten Stand des Statistikamtes INE gab es im November in Spanien 368.295 Ferienwohnungen. Der Branchenverband Fevitur fürchtet, dass bis zu 70% davon von den Online-Plattformen verschwinden könnten. Am meisten betroffen ist Marktführer Airbnb. Außerdem hat die spanische Linksregierung die Mehrwertsteuer für Ferienappartements auf den Standardsatz von 21% angepasst. Die Zuständigkeiten für das bei vielen Anwohnern ungeliebte Phänomen liegen jedoch hauptsächlich bei den Kommunen.

Vorreiter Barcelona

Vorreiter im Kampf gegen die Ausbreitung von Touristenwohnungen ist Barcelona. In den letzten Jahren wurde durch Inspektionen rund 7000 Wohnungen ohne Lizenz vom Markt genommen. Die katalanische Hauptstadt belegte Airbnb mit Geldstrafen von 600.000 Euro, die gerichtlich angefochten wurden. Seit 2014 gibt es keine neuen Lizenzen mehr und bis 2028 sollen die gegenwärtigen 10.000 Genehmigungen erlöschen.

Einen differenzierten Ansatz hat Madrid eingeschlagen mit dem jüngst vorgestellten Plan Reside. Demnach dürfen Ferienwohnung nicht mehr in Häusern betrieben werden, wo dauerhafte Residenten leben, sondern einzig in Gebäuden, die ausschließlich dem Tourismus gewidmet sind. Kritiker befürchten allerdings, dass Investoren dadurch erst recht ganze Häuser kaufen und die Anwohner nach und nach herausdrängen könnten. „Nur damit das klar ist, wir wollen in Madrid Touristenwohnungen haben“, unterstrich der Stadtrat für Urbanismus, Borja Carabante.

Airbnb geht zum Gegenangriff über

Eingeengt und angeprangert ging Airbnb vor kurzem zum Gegenangriff über. Am 12. Juni veröffentlichte das Unternehmen aus den USA eine Studie, basierend auf Daten von Eurostat und der Welttourismusorganisation der UNO, welche die Hotelindustrie für die Massifizierung des Tourismus in zehn der beliebtesten Städte Europas verantwortlich macht. Demnach entfallen 80% aller Übernachtungen auf Hotels. “Wenn die europäischen Städte den Massentourismus ernst nehmen, dann dürfen sie die Auswirkungen der Hotels nicht ignorieren“, warnte Theo Yedinsky, Vizepräsident für Öffentlichkeitsarbeit von Airbnb. In Zentrum von Barcelona kommen nach Angaben der Plattformen auf eine Ferienwohnung sieben Hotelbetten. Die Mehrheit der Appartements von Airbnb befänden sich zudem in Stadtteilen außerhalb des Zentrums. Kreuzfahrtreisende tragen weiter zur Massifizierung in den populärsten Reisezielen bei. Mehr als die Hälfte des Angebots von Airbnb läge dagegen in anderen, oft kleinen Orten auf dem Land, insgesamt 5300 Gemeinden in Spanien.

Viele Experten stimmen zu, dass der Anstieg der Ferienwohnung nur ein Teilaspekt des großen Problems der Wohnungsnot in Spanien ist. Doch die Politik in den betroffenen Gegenden ist entschlossen, das Angebot von Airbnb und seinen Mitbewerbern weiter zurückzudrängen.

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