Wall Street

US-Banken strotzen vor Selbstbewusstsein

Sie geben sich als Konjunkturmahner, fürchten aber weder Inflation noch Rezession: Jamie Dimon und die Chefs der anderen Wall-Street-Banken können dank dicker Kapitalpolster ruhig schlafen.

US-Banken strotzen vor Selbstbewusstsein

Von Peter De Thier, Washington

Je kräftiger die US-Notenbank an der Zinsschraube dreht, desto größer wird die Angst vor einer womöglich tiefen Rezession, die Unternehmen und Haushalte gleichermaßen in Mitleidenschaft ziehen würde. Von einem Konjunktureinbruch weitgehend verschont würde allerdings die Bankbranche bleiben, insbesondere die „Big Five“ J.P. Morgan Chase, Citi­group, Bank of America, Morgan Stanley und Goldman Sachs.

Trotz der Störungen in globalen Lieferketten und der daraus resultierenden Inflation strahlen die Manager Zuversicht aus. Die Geldhäuser sitzen auf massiven Kapitalpolstern, haben strategische Umschichtungen in ihren Kreditportfolios vorgenommen und würden nach Ansicht von Experten aus einer Rezession sogar noch stärker hervorgehen.

Sprühender Optimismus

Jane Fraser, die Vorstandsvorsitzende von Citigroup, nimmt kein Blatt vor den Mund. Während einer Rezession seien für die Banken vier Punkte entscheidend: „Kapital, Liquidität, die Kreditqualität und die Reserven, und in allen vier Bereichen ist unsere Ausgangslage ausgesprochen günstig“, sagt Fraser. Optimismus versprühen auch Bank-of-America-Chef Brian Moynihan und Jamie Dimon, CEO von J.P. Morgan Chase, der in den vergangenen Wochen wiederholt warnte, dass der US-Wirtschaft eine eher unsanfte Landung bevorsteht (BZ vom 14. Oktober). Selbst während der Rezession vor 14 Jahren habe sein Institut Gewinne einstreichen können, so Dimon, das werde im Falle eines neuen Einbruchs nicht anders sein, ist der Banker überzeugt. Dass die Geldhäuser so gut für eine Krise gerüstet sind, ist zum Teil ein Verdienst der Notenbank, aber auch der strikteren Kapitalanforderungen, die das Dodd-Frank-Gesetz den Banken verordnet hat. Hinzu kommt, dass die Federal Reserve (Fed) außerdem anordnete, dass die Banken von 2020 aus ihren Gewinnen zusätzliche Rücklagen bilden, um sich gegen allfällige Verluste aus faulen Krediten zu wappnen. Das Ergebnis: Sowohl Citigroup als auch Bank of America sitzen heute auf Barreserven und leicht liquidierbaren Vermögenswerten von jeweils einer knappen Billion Dollar.

Die starke Position ist aber teilweise auch das Ergebnis modifizierter Geschäftsmodelle. Seit dem Zerplatzen der Preisblase am Häusermarkt und der anschließenden Subprimekrise haben die Banken das Geschäft mit Hypothekendarlehen zurückgefahren und stattdessen die Vermögensverwaltung und das Assetmanagement ausgebaut. Allein bei der Bank of America beliefen sich seit der Krise die Umschichtungen zwischen diesen beiden Geschäftssparten auf 130 Mrd. Dollar. Der im Zuge des allgemeinen Zinsanstiegs kräftige Auftrieb der Hypothekenzinsen dürfte viele Hauskäufer abschrecken und diesen Trend in den kommenden Monaten weiter beschleunigen.

Zwar hatte Dimon die Märkte aufhorchen lassen, als er vor der Gefahr eines steilen Abschwungs warnte und die Möglichkeit einer tiefen Rezession auf über 40 % schätzte. Spitzenbanker sprechen allerdings auch ungern darüber, dass sie von einer schwachen Konjunktur sogar kräftig profitieren können.

Angesichts der zum Teil massiven Kursverluste an den Aktienmärkten sind potenzielle Übernahmeziele zuletzt wieder preiswert geworden. Dazu zählen vor allem Fintech-Unternehmen und andere Start-ups, die noch zu jung sind, um jemals eine Rezession durchgemacht zu haben, und in einer Wirtschaftskrise weder über dieselben Kapitalreserven verfügen wie gestandene Konzerne noch über die Möglichkeit, den Kapitalmarkt anzuzapfen.

Stabile Einlagezinsen

Der weiter hohe Inflation, die in den USA an den Verbraucherpreisen gemessen den höchsten Stand in über 40 Jahren erreicht hat, sehen die Top-Banker genauso gelassen entgegen wie der Rezessionsgefahr. Während die verschärfte Geldpolitik zu einem steilen Anstieg der Kreditzinsen geführt hat, herrscht bei der Anpassung der Einlage- und Sparzinsen eiserne Disziplin. So bewegen sich die Kreditzinsen teilweise wieder im zweistelligen Bereich. Ihren Kunden zahlen aber die meisten der führenden Banken Zinsen, die nur marginal über null liegen.

Das liegt daran, dass die Institute inzwischen dank des Anstiegs während der Corona-Pandemie und als Folge diverser Stimulusprogramme, die der Kongress verabschiedet hat, über so hohe Barreserven verfügen, dass sie es sich leisten können, kleinere Kunden im Zweifelsfall ziehen zu lassen, statt höhere Zinsen zu zahlen. Experten sind der Auffassung, dass die sogenannten „Betas“, welche die Korrelation zwischen den Zinserhöhungen durch die Fed und dem Anstieg der Sparzinsen messen, sich in den kommenden Monaten noch stärker zugunsten der Banken entwickeln werden.

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