Immobilienbeteiligungen

Wie Putin zum Klinken­putzen nach Frankfurt kam

Ermittlungen wegen Geldwäsche haben der einst börsennotierten SPAG die Geschäftsgrundlage entzogen. Im Beirat einer ihrer Töchter saß sogar mal der heutige russische Präsident.

Wie Putin zum Klinken­putzen nach Frankfurt kam

Als Wladimir Putin Anfang der 90er Jahre aus Deutschland nach St. Petersburg zurückkehrte, begab er sich an die Seite des damaligen Bürgermeisters Anatoli Sobtschak, der ihn als Chef des Komitees für Außenwirtschaft installierte. Putins Job: Ausländisches Kapital für Investitionen in der Metropole an der Newa mobilisieren. Heute weiß kaum noch je­mand, dass ihn diese Mission auch an den Frankfurter Finanzplatz führte. Auf Einladung einer deutschen Großbank war Putin Teil einer St.-Petersburger-Delegation von Lokalpolitikern, für die Gespräche mit deutschen Investoren arrangiert wurden. Und so machte sich der spätere Kreml-Chef zwischen Freßgass und Bankentürmen ans Klinkenputzen.

Man wurde handelseinig, 1992 wurde unter Beteiligung des Magistrats der Stadt St. Petersburg die St. Petersburg Immobilien und Beteiligungs AG (SPAG) in Frankfurt und Darmstadt gegründet. Die Firma wollte in den dortigen Real-Estate-Markt investieren und gründete russische Tochtergesellschaften, meist als lokale Facility-Dienstleister, in die auch russische Gelder flossen. Für eine dieser Töchter wurde ein Beirat gegründet, in dem seit März 1992 auch Putin saß. Mitglieder des SPAG-Aufsichtsrates wie Rudolf Ritter und Klaus Peter Sauer reisten des Öfteren nach St. Petersburg und trafen wiederholt mit Putin zusammen, der als Bindeglied zur lokalen Wirtschaft fungierte – was noch eine Rolle spielen sollte.

Projekt Prachtboulevard

Die Geschäfte der SPAG entwickelten sich ein wenig schleppend. Nachdem ein erstes Projekt finanziert und errichtet wurde, machte sich das Management der inzwischen in Mörfelden-Walldorf ansässigen Gesellschaft daran, eine 100 Mill. Euro schwere Finanzierung für ein En­semble am Prachtboulevard Newski Prospekt auf die Beine zu stellen. 1997 erfolgte mit Konsortialführer Baader Bank, die auch 30 % der Anteile übernahm, der Börsengang. Das Interesse an einem solchen Nebenwert war vorhanden am Aktienmarkt.

Das sollte sich schlagartig ändern, als Mitte Mai 2003 eine Razzia von Bundeskriminalamt (BKA), Zollkriminalamt sowie der Darmstädter Staatsanwaltschaft bei der SPAG stattfand wegen des Verdachts auf Geldwäsche über ausländische Konten, Liechtensteiner Stiftungen so­wie Briefkastenfirmen in Finnland und auf den Kanalinseln. Wie man heute weiß, ging der Verdacht auf ein im Sommer 2000 kursierendes Papier des Bundesnachrichtendienstes (BND) zurück, der mit dem Schwerpunkt auf Liechtensteiner Treuhänder Spuren nach Deutschland verfolgte. Neun Personen wurden vom BKA im SPAG-Verfahren als Verdächtige aufgeführt, darunter auch ein damaliger SPAG-Vorstand und Rechtsanwalt. „Die Vorwürfe sind so alt, wie sie falsch sind“, sagte dieser damals dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Es sei kein einziger Beweis für Geldwäsche vorgelegt worden. Zudem habe Putin nur ehrenhalber in dem Beirat gesessen, mit dem operativen Geschäft habe er nichts zu tun gehabt.

Die Staatsanwaltschaft Darmstadt ermittelte fleißig, zu einer Anklage kam es nie. Im Mai 2003 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Vorstand eingestellt. Das vom BND verbreite Papier war teils fehlerhaft und stellte Schlussfolgerungen zu Querverbindungen von Personen und Konten an, die sich mit dem im Zuge der Razzia sichergestellten Beweismitteln Material nicht erhärten ließen. Tatsächlich mutet der Verdacht, es habe sich um „Scheinprojekte“ in St. Petersburg gehandelt, absurd an. Immerhin hatte man für das Newskj-Projekt mit dem finnischen Kaufhaus Stockmann schon einen potenziellen Großmieter ge­funden, auch wenn es nie zustande kam. Die spektakuläre Razzia dürfte dafür auch nicht gerade förderlich gewesen sein.

Auch das in Liechtenstein geführte Verfahren gegen den SPAG-Aufsichtsrat Rudolf Ritter blieb ergebnislos. Verurteilt wurde er schließlich nur wegen des außerbörslichen Verkaufs von SPAG-Aktien zum überhöhten Preis. Rund um Putin waberten Vorwürfe, er sei der dem organisierten Verbrechen in St. Petersburg zugerechneten Tambow-Gruppe bei der Geldwäsche behilflich gewesen. Ein Verbindungsmann namens Wladimir Smirnow, der auch offizielle Funktionen neben Putin hatte, soll zusammen mit dem Kopf der Bande Wladimir Barsukow (der sich später Kumarin nannte) agiert haben. Aber wie will man von Darmstadt aus dazu gerichtsfeste Beweise erhalten, ohne einen verdeckten Ermittler innerhalb der Tambow-Mafia?

Dem Untergang geweiht

Die St. Petersburg Immobilien und Beteiligungs AG jedenfalls war infolge der schlagzeilenträchtigen Razzia dem Untergang geweiht. Die Aktie war nur noch ein Pennystock und die bis 2007 nicht abgeschlossenen Ermittlungen machten die operative Fortführung unmöglich. Die Assets wurden verkauft und die Erlöse an die Anteilseigner schrittweise ausgeschüttet mit dem Ziel, die Gesellschaft aufzulösen. Der entsprechende Hauptversammlungsbeschluss aus dem Jahr 2007 führte zu Widerspruch, besaß der Börsenmantel mit seinen Verlustvorträgen doch eigentlich einen nicht unerheblichen Wert. Zudem hatte die Verwaltung der SPAG wegen der durch die Ermittlungen entstandenen wirtschaftlichen Schäden eine Schadensersatzklage über 10 Mill. Euro gegen die Staatsanwaltschaft und das BKA eingereicht. Trotzdem wurde die Aktiengesellschaft aufgelöst und verschwand irgendwann vom Kurszettel.

Putin spielte da längst in einer anderen Liga. Seinen Beiratsposten bei der SPAG hatte er bereits im März 2000 niedergelegt, als er zum Präsidenten gewählt wurde. Mit den Oligarchen pflegte er seitdem Geschäfte auf Gegenseitigkeit, was ihm ein beträchtliches Privatvermögen nebst Luxusjacht und Immobilienbesitz einbrachte, angeblich auch in Deutschland. Neben dem Opernpalais in München wird auch das Gebäude des Sofitel-Hotels neben der Alten Oper in Frankfurt in diesem Zusammenhang genannt. Inzwischen dementiert wurden dagegen Berichte, dass auch das Ku’damm-Karree dazugehört. Da­für soll Putin in Berlin eine riesige Villa besitzen – einmal Immobilienjäger, immer Immobilienjäger. Die EU-Kommission und die US-Regierung sind zwar bemüht, solchen Besitz mit Nachweis der Eigentumsverhältnisse zu beschlagnahmen und den Erlös für den Wiederaufbau der Ukraine zu verwenden. Bislang ist dies allerdings bloß ein Hoffnungswert.

Von Björn Godenrath, Frankfurt

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