Geldpolitik

Ex-Chefvolkswirt Issing kritisiert EZB-Entscheidung

Ex-EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing übt harte Kritik an der jüngsten Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), wegen der gestiegen Staatsanleiherenditen im Euroraum das Tempo bei den Anleihekäufen vorübergehend zu erhöhen. „Ich halte die...

Ex-Chefvolkswirt Issing kritisiert EZB-Entscheidung

Ex-EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing übt harte Kritik an der jüngsten Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), wegen der gestiegen Staatsanleiherenditen im Euroraum das Tempo bei den Anleihekäufen vorübergehend zu erhöhen. „Ich halte die Einstellung der EZB für widersprüchlich“, sagt Issing im Interview der Börsen-Zeitung: „Die EZB sollte den Renditeanstieg begrüßen, statt dem entgegenzuwirken.“ Grund für den Renditeanstieg seien auch anziehende Inflationserwartungen – was dem Streben der EZB nach mehr Inflation entgegenkomme. Zudem reduziere der Anstieg der Inflation den Realzins: „Die Finanzierungsbedingungen sind insoweit sogar noch günstiger geworden.“

Issing sieht die Entscheidung auch mit Blick auf das Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik sowie mit Blick auf das Verbot der monetären Staatsfinanzierung kritisch. „Die fiskalische Dominanz ist de facto längst Realität“, sagt er. Die Regierungen im Euroraum verließen sich längst darauf, dass die Notenbanken die langfristigen Zinsen niedrig halten. Die EZB werde in diesem Jahr vermutlich die gesamte staatliche Nettoneuverschuldung im Euroraum aufkaufen und verfestige mit ihrem Verhalten den Eindruck, dass schon geringe Zinsanstiege ein Übel sind und zu einer geldpolitischen Gegenreaktion führen. „Die EZB nähert sich so immer mehr der Grenze zur monetären Staatsfinanzierung, die ihr nach dem EU-Vertrag verboten ist“, sagt Issing.

Issing warnt zudem davor, das Risiko einer länger und stärker steigenden Inflation zu unterschätzen. Das gelte insbesondere für die USA. Dort treffe die neue Strategie der US-Notenbank Fed mit mehr Toleranz gegenüber einer höheren Inflation nun auf eine extrem expansive Fiskalpolitik. „Das ist eine äußerst brisante Gemengelage“, sagt Issing: „Es sind leider Zweifel angebracht, ob die Fed den absehbaren Inflationsprozess rechtzeitig und entschlossen stoppen wird.“

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