Währungsunion

Ifo-Präsident Fuest warnt vor Transferunion

In der Coronakrise haben die Staaten zu beispiellosen Maßnahmen gegriffen, die nach Meinung vieler Kritiker die Grundfeste der Währungsunion verschoben ha­ben. Ökonomen streiten über die (richtige) Zukunft der Eurozone.

Ifo-Präsident Fuest warnt vor Transferunion

ms Frankfurt

Ifo-Präsident Clemens Fuest warnt davor, dass die Euro-Währungsunion immer stärker zu einer Transferunion wird – und erhält dabei prominente Unterstützung. „Es besteht die Ge­fahr, dass die Eurozone sich zunehmend zu einer Transferunion entwickelt, in der die Steuerzahler aller Mitgliedstaaten zunehmend für wirtschaftliche Probleme einzelner Staaten haften müssen, obwohl sie deren Politik nicht beeinflussen können“, sagt Fuest in einer Umfrage der Börsen-Zeitung anlässlich des 20. Jahrestags der Einführung des Euro-Bargelds. Auch Ex-EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark kritisiert „zunehmende Finanztransfers, eine gemeinschaftliche Haftung und die Politisierung der EZB über die monetäre Staatsfinanzierung“.

Die Aussagen dürften die mitunter ohnehin hitzige Debatte über die Zukunft der Währungsunion zusätzlich befeuern. In der Coronakrise haben die Staaten zu beispiellosen Maßnahmen gegriffen, die nach Meinung vieler Kritiker die Grundfeste der Währungsunion verschoben ha­ben. Das gilt etwa für den 750 Mrd. Euro schweren EU-Wiederaufbaufonds, der erstmals nichtrückzahlbare Transfers beinhaltet. Auch die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), mit der sie in der Krise explizit auch den Staaten zur Seite gesprungen ist, steht vor allem in Deutschland unter Beschuss.

Zusätzliche Brisanz erhält die Diskussion durch den Regierungswechsel in Deutschland von der unionsgeführten großen Koalition zur SPD-geführten Ampel-Koalition. Einige Kritiker befürchten, das könne in Eu­ropa den Weg bereiten für eine weitere Abkehr von der Stabilitätskultur.

Angesichts der jüngsten Weichenstellungen im Euroraum sieht Thomas Mayer, Ex-Chefvolkswirt der Deutschen Bank, die europäische Währungsunion (EWU) sogar auf den Spuren der Lateinischen Münzunion (LMU) des 19. Jahrhunderts und zum Scheitern verurteilt: „Viele Anzeichen sprechen dafür, dass die Lira im Euro wieder auferstanden ist und die EWU schließlich dem Schicksal der LMU folgen wird“, sagt Mayer.

Allerdings gibt es in der Umfrage der Börsen-Zeitung auch sehr viel optimistischere Töne. So lobt etwa DIW-Präsident Marcel Fratzscher die „Erfolgsgeschichte“ Euro. Die Gemeinschaftswährung habe sich in allen Krisen bewährt. Ähnlich argumentiert etwa auch Ex-EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi.

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