Finanzmärkte

Amundi erwartet drei Zinssenkungen der Fed

Der Zoll-Streit zwischen den USA und Europa bleibt das beherrschende Thema an den Märkten. Amundi hat drei Szenarien entwickelt, wie es nun weitergehen könnte.

Amundi erwartet drei Zinssenkungen der Fed

Amundi erwartet drei Zinssenkungen der Fed

Vermögensverwalter weiter konstruktiv für Aktien – Europäische Small und Mid Caps haben noch Luft nach oben – Anleihen bieten attraktive Renditen

Der Zoll-Streit zwischen den USA und Europa bleibt das beherrschende Thema an den Märkten. Amundi hat drei Szenarien entwickelt, wie es nun weitergehen könnte. Chancen sieht der Vermögensverwalter besonders bei europäischen Aktien, aber auch bei Anleihen. Bei den Emerging Markets sei Indien interessant.

tom Frankfurt
Von Tobias Möllers, Frankfurt

Die Volatilität an den Märkten ist hoch, die politischen Rahmenbedingungen schwierig. Für den französischen Vermögensverwalter Amundi aber kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Vor dem Ausblick auf das zweite Halbjahr wirft Deutschland-CIO Thomas Kruse aber erstmal einen Blick zurück und hier besonders auf die Entwicklungen, die Amundi nicht auch so vorhergesehen hat. Das erste Halbjahr wurde aus makroökonomischer Sicht von Donald Trumps Zollpolitik dominiert. Dass der US-Präsident auf Zölle setzt, kam zwar so überraschend nicht, doch das Hin und Her und die Art und Weise hätte Kruse so nicht erwartet. Dafür fielen US-Anleihen aufgrund der gestiegenen fiskalischen Risiken zurück. Positiv zu vermerken sei die überraschend schnelle Einigung aller Nato-Staaten auf deutlich höhere Verteidigungsausgaben. Auch die Investitionspläne der neuen Bundesregierung könnten Deutschland einen neuen fiskalischen Schub geben.

Mit Blick auf die Finanzmärkte hätten amerikanische Aktien und der US-Dollar ihren Status als sichere Häfen ein Stück weit verloren. Der Dollar korreliere nun mit Aktien und habe sich von US-Treasuries entkoppelt. Gleichzeitig sind die Renditen von 30-jährigen Staatsanleihen in Industrieländern auf Mehrjahreshochs geklettert, in China markieren sie dagegen historische Tiefststände. Der DeepSeek-Schock, der amerikanische Tech-Titel zu Jahresbeginn deutlich ausbremste, habe zu einer Erholung bei chinesischen Aktien geführt. Grundsätzlich schwinde der US-Exzeptionalismus ein Stück weit, Amerika habe an Attraktivität verloren, so Kruse. Dagegen verzeichnet Europa seit Jahresbeginn deutlich gestiegene Zuflüsse von Kapital.

Drei Zukunftsszenarien

Auch beim Blick nach vorne bleiben für Amundi-CIO Kruse die Zölle zunächst das Hauptthema. Bis zum 9. Juli wollen sich die USA und die EU in dem Handelsstreit einigen. Amundi arbeitet mit drei Szenarien für die Zukunft, wobei das Hauptszenario mit einer Wahrscheinlichkeit von 70% davon ausgeht, dass Zölle auf dem aktuellen Niveau das neue Normal werden. Aus Marktsicht dürfte das für eine steilere Zinsstrukturkurve und einen schwächeren Dollar sorgen. Positiv sei das neue Normal für Investment-Grade-Unternehmensanleihen und leicht positiv auch für Risiko-Assets. Bei einem positiveren Aufwärtsszenario, dem Amundi aber nur eine Wahrscheinlichkeit von 10% zubilligt, komme es zu weniger hohen Zöllen, was sich positiv auf risikoreiche Anlagen auswirke. Im Negativszenario, das Amundi mit einer Wahrscheinlichkeit von 20% taxiert, kommt es zu einer Eskalation im Zoll-Streit. In diesem Fall würden die Realrenditen wie auch die Inflationserwartungen weiter steigen und der Konsum verlangsamt sich. Negativ wäre das besonders für US-Vermögenswerte und Staatsanleihen, positiv dagegen für Gold, Rohstoffe, Dividendenaktien und Linker.

Wachstumslokomotive Indien

Abhängig vom Ausgang des Zollstreits wird sich auch das Wirtschaftswachstum entwickeln. Amundi rechnet für die USA in diesem und im folgenden Jahr mit einem BIP-Wachstum von 1,6%, für die EU mit einem Wachstum von jeweils 0,8% und für Deutschland mit einem Plus von 0,5%. Hier könnten aber die geplanten Investitionen der Bundesregierung noch für ein stärkeres Wachstum sorgen. Wachstumslokomotive bleibt deutlich vor China Indien, dem Amundi ein Plus von 6,6% für 2025 und 6,4% für 2026 zutraut. Die Weltwirtschaft dürfte demnach in diesem Jahr um 2,9% und im nächsten um 2,8% zulegen. Die Inflation schätzt Amundi in den USA deutlich höher als in der Eurozone ein, nämlich in diesem Jahr bei 3,1% und auch im kommenden Jahr bei 2,9%. Dagegen kommt Europa dem Inflationsziel der EZB von 2% mit der Prognose bei 2,1% in diesem und 1,9% im kommenden Jahr schon sehr nahe. Kruse geht davon aus, dass die EZB die Leitzinsen in diesem Jahr noch zwei Mal senken wird. Von der Fed erwartet der Amundi-CIO sogar noch drei Zinssenkungen in diesem Jahr, obwohl diese wegen der Zollpolitik und möglichen Zweitrundeneffekten wie höheren Löhnen ganz anders unter Druck steht als die EZB.

Als Risiken für die kommenden Monate nennt Kruse neben dem fiskalischen Umfeld in den USA besonders Geopolitik und die hohe Staatsverschuldung Amerikas. Diese falle 3-5 Bill. Dollar höher als ursprünglich erwartet aus und könne durch etwaige Zolleinnahmen nicht annähernd ausgeglichen werden. Der von Trump so häufig kritisierte Handelsüberschuss der EU habe im Jahr 2023 „nur“ 48 Mrd. Dollar betragen. Gleichzeitig exportieren die USA deutlich mehr Dienstleistungen in die EU als umgekehrt. Der Handel zwischen den USA und China sei aufgrund des Zollstreits bereits deutlich zurückgegangen.

„Zeit für Europa“

Auch wenn die Volatilität weiter hoch bleiben dürfte, sieht Amundi keinen Grund, nun massiv die Aktienquote zu senken. Besonders bei US-Staatsanleihen und dem Dollar bleibe die Volatilität erhöht, erklärt Helen Windischbauer, Head of Multi Asset Solutions bei Amundi. Hier könnten europäische und Emerging-Market-Anleihen eine Alternative sein. Beim Blick auf die Aktienmärkte sieht Windischbauer besonders die US Mega-Caps weiterhin sehr hoch bewertet. Nicht zuletzt dank der deutschen Investitionspakete sei es nun „Zeit für Europa“. China sieht Amundi derzeit neutral, rät aber grundsätzlich dazu, das Portfolio diversifiziert zu halten, etwa über Eltifs. Insgesamt bleibe Amundi aber konstruktiv für Aktien, obwohl auch hier wegen der Zölle weiter eine erhöhte Volatilität drohe. Von einer globalen Rezession gehen die Franzosen nicht aus. Bei Festverzinslichen erwartet der Vermögensverwalter eine Versteilerung der US-Zinsstrukturkurve. Die Rendite sei weiter überzeugend. Amundi setzt hier auf Qualität, also auf Investment Grade.

Am Aktienmarkt bevorzugt Amundi laut Windischbauer binnenmarkt-orientierte Sektoren, da diese bei hohen Zöllen weniger anfällig sind. Positiv sieht der Vermögensverwalter aufgrund der niedrigeren Bewertung europäische Mid Caps, wogegen man bei US-Aktien nur gleichgewichtet sei. Skeptisch fällt der Blick auf die „Magnificent Seven“ aus. Diese seien zwar weiterhin sehr gewinnstark, die hohe Bewertung lässt Amundi aber zurückhaltend bleiben. Das sei zwar kein Misstrauensvotum gegen die „Magnificent Seven“, andere Branchen und Unternehmen würden aber zunehmend interessanter. Daneben setzt Amundi aber auch auf dividendenstarke Titel aus Japan und selektiv auf Titel aus Emerging Markets wie Indien.

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