Immobilienfonds

Betongold wird grüner

Die Anbieter von Immobilienfonds unternehmen große Anstrengungen, um ihre Produkte auf Nachhaltigkeit zu trimmen und ESG-Kriterien zu nutzen. Dazu trägt auch die Offenlegungsverordnung der EU bei.

Betongold wird grüner

Was wie ein neues Etikett für die Fondsbranche aussieht, hat einen enormen Einfluss auf die Entwicklung der Branche in Richtung Nachhaltigkeit – auch bei offenen Immobilienfonds. Es geht um die Offenlegungsverordnung der EU, die mehr Transparenz bei ESG-Kriterien vorschreibt und eine Klassifizierung der Fonds erforderlich macht. Artikel-6-Fonds sind traditionell, Artikel-8-Fonds nutzen Nachhaltigkeitskriterien und Artikel-9-Fonds zielen auf eine ESG-Wirkung. Die EU wird damit zum Antreiber auch der Immobilienfonds.

Nach einer Umfrage von EY Real Estate zur ESG-Transformation der Immobilienfonds gehen 40 % der befragten Unternehmen davon aus, dass ein Großteil der bestehenden Fonds auf Nachhaltigkeitsfonds umgestellt wird. Die Ergebnisse der Umfrage bestätigt Burkhard Dallosch, Geschäftsführer der Deka Immobilien: „Wir wollen alle fünf offenen Immobilienfonds bis Ende des Jahres nach Artikel 8 klassifizieren.“ Bislang sind bei der Deka zwei Fonds so eingestuft. Eine Schwierigkeit bestehe allerdings in möglichen Konflikten zwischen den deutschen Vorgaben und der europäischen Regulierung.

Insbesondere die jüngeren Fonds werden von den Anbietern von vorneherein auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Das sieht man daran, dass diese Produkte gemessen an der Offenlegungsverordnung schon direkt als Artikel-8-Fonds bei der BaFin eingereicht werden. „Eine solche Klassifizierung ist durchaus ein Wettbewerbsvorteil. Daher sind immer mehr Häuser bestrebt, auch ihre bestehenden Fonds in Art.-8-Fonds umzuwandeln“, so die Einschätzung von Sonja Knorr von Scope Rating.

Die EU-Offenlegungsverordnung bringt für die Anbieter Veränderungen im Berichtswesen und bei den vorvertraglichen Informationen mit sich. „Dafür müssen nun sehr viele ESG-Daten erhoben und strukturiert werden“, sagt Corinna Haas von Commerz Real. Die ab 2022 schrittweise anzuwendende Taxonomie-Verordnung enthält Vorgaben mit Kriterien dazu, wann eine Tätigkeit als ökologisch nachhaltig gewertet wird, im Hinblick auf die Umweltziele Klimawandel und Klimaschutz. „Um darauf gut vorbereitet zu sein, arbeiten wir diese Bewertungskriterien bereits jetzt in unser Bewertungstool ein“, sagt Haas.

Grüne Zertifikate werden bei Immobilien seit Jahren eingesetzt. Die großen Häuser wie die Deka achten schon lange beim Ankauf darauf, dass die Gebäude zertifiziert sind oder zertifiziert werden können. Insbesondere große Büroimmobilien werden zertifiziert, weil die Mieter darauf schauen. Siegel von DGNB, LEED oder BREEAM vermitteln einen ersten Eindruck von einer Immobilie. „Jedoch sind sie kaum miteinander vergleichbar, weil ihnen teilweise ganz unterschiedliche Bewertungssysteme zugrunde liegen“, sagt Corinna Haas von Commerz Real. Bei einem international diversifizierten Portfolio werde die Zahl der Zertifikate und Kriterien allerdings schnell unübersichtlich. Trotzdem hätten sich Zertifikate vor allem im Neubau etabliert und „gehören im Ankauf zum guten Ton“. Die fehlende Vergleichbarkeit der Zertifikate war für Commerz Real aber der Grund dafür, ein eigenes Nachhaltigkeitsbewertungssystem zu entwickeln. „So können möglicherweise enorme Nachhaltigkeitspotenziale identifiziert werden. Über Zertifikate wären diese vielleicht gar nicht erkennbar gewesen“, sagt Haas. Für ein Rating sind Zertifikate ebenfalls von Bedeutung – neben der Strategie eines Fonds und der Frage, wie Nachhaltigkeitsthemen im Portfolio umgesetzt werden.  „Bei Zertifizierungen ist es aber nicht zwingend so, dass ein Fonds mit einer hohen Zertifizierungsquote besser ist als ein Fonds mit einer niedrigen Quote. Insbesondere große Büroimmobilien werden zertifiziert, weil die Mieter darauf schauen“, sagt Knorr.

Beim Rating von offenen Immobilienfonds wird die ESG-Perspektive generell immer wichtiger. „Das Thema Nachhaltigkeit schauen wir uns auf Einzelobjektebene an. Jedes Gebäude wird beispielsweise hinsichtlich CO₂-Emissionen und der Verbräuche für Energie, Wasser und Abfall eingeschätzt. Dazu gehören aber auch die Produktion von erneuerbaren Energien, die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr oder die Ladeinfrastruktur“, erläutert Knorr. „Bis heute fehlt es an einer einheitlichen Definition von Nachhaltigkeit im Investmentbereich. Das gilt insbesondere für Immobilieninvestments. Obwohl Daten über das Property Management zumeist vorliegen, sind sie allerdings nur selten in einer für das ESG-Reporting gebrauchsfähigen Form erfasst“, sagt Ludger Wibbeke, Geschäftsführer der Hansainvest.

In der Praxis bedeutet das: „ESG muss innerhalb des Investmentprozesses wie ein Risiko betrachtet und gemanagt werden, also schon beim Ankauf einer Immobilie“, sagt Benita Schneider, Leiterin Immobilien-Assetmanagement Europa bei der DWS. Im Immobilienmanagement fokussiert sich das Haus auf drei wesentliche ESG-Risiken. Das Carbon Transition Risk sei das wichtigste. „Hier ist die Erwartung der Umstellung auf eine CO₂-arme Wirtschaft zu prüfen und zu berechnen, welche Risiken für die einzelnen Objekte und für das Portfolio bestehen.“ Wenn Immobilien nicht heute schon auf diesen Übergang angepasst würden, bestünde nicht nur ein Kostenrisiko in der Zukunft, sondern vielmehr, dass sie irrelevant werden. „Wenn bei der Beurteilung eines Objektes herauskommen würde, dass ein Gebäude das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein, gar nicht erreichen kann, dann wäre das ein erhebliches Risiko, weil das Objekt dann u.U. ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr zu vermarkten wäre.“

Das Thema Energieverbrauch und CO₂-Ausstoß eines Gebäudes ist keineswegs trivial. „Die Frage ist, ob man den schwierig zu ermittelnden Primärenergiebedarf zugrunde legt oder pragmatisch vorgeht und den Endenergieverbrauch ansetzt. Beim Endenergieverbrauch liegen allerdings nicht immer alle Werte vor“, sagt Deka-Geschäftsführer Dallosch. Hinzu komme, dass der Energieverbrauch davon abhängt, ob die Mieter ein energieintensives Geschäft wie beispielsweise Serverfarmen betreiben. Damit würde ein leeres Gebäude beim Energieverbrauch sehr gut dastehen. „Ziel kann es nicht sein, einen grünen Fonds mit einem hohen Leerstand zu haben“, so Dallosch, der darauf hinweist, dass Nachhaltigkeitsmanagement nicht nur Energiemanagement heißt. „Beim Klima haben wir vor drei Jahren angefangen, uns mit den Auswirkungen von Flut, Starkregen und Sturm auf unsere Immobilien zu befassen. Beispielsweise gibt es ein Objekt in Mexiko mit Sonnenlamellen, die beim Sturm einen Schaden verursacht haben.“ Welche Chancen sich wiederum ergeben, zeigt die Deka. Interessant für Fonds seien die Dächer als Standorte für Fotovoltaikanlagen. Besonders positiv sei es, wenn die an Ort und Stelle erzeugte Energie im Gebäude verbraucht wird und den Energieausweis verbessert.

Soziale Immobilien

Immer wichtiger werden auch bei Immobilienfonds soziale Kriterien im Portfoliomanagement. Dazu zählt bei Wohnimmobilienfonds und Immobilienfonds mit Wohngebäuden beispielsweise auch das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum oder altersgerechten Wohnungen. „Das soziale Risiko bei einer Immobilie ist am schwierigsten messbar. Es bedeutet, dass wir uns nicht der sozialen Verantwortung entziehen können, die sich aus den geänderten Ansprüchen der Gesellschaft, von Mietern und Investoren in Bezug auf Klimawandel und Nachhaltigkeit ergibt“, sagt DWS-Managerin Schneider. Das Unternehmen legt Wert darauf, nicht nur in Luxusimmobilien zu investieren.

Darüber geht es beim „S“ auch um viele eher weiche Faktoren wie die Frage, ob man im sozialen Umfeld etwas verbessern kann oder ob sich das Wohlbefinden der Mieter über eine verbesserte Luftqualität in den Gebäuden steigern lässt – jeweils mit dem Ziel, das soziale Risiko zu senken.