Lateinamerika

Dämpfer für Argentiniens Aktienmarkt

Dieses Land ist enorm kompliziert und für ausländische Anleger immer noch schwer zugänglich. Auch darum hat MSCI Argentinien in dieser Woche nicht nur eine Hochstufung verweigert, sondern es nicht mal zum Kandidaten für eine Hochstufungsprüfung 2026 erklärt. Eine teure Ohrfeige für Javier Milei und seinen Finanzminister Luis Caputo.

Dämpfer für Argentiniens Aktienmarkt

Dämpfer für Argentiniens Aktienmarkt

Trotz der Reformen von Regierungschef Javier Milei hat MSCI dem Land gerade eine Hochstufung verweigert

Dieses Land ist enorm kompliziert und für ausländische Anleger immer noch schwer zugänglich. Auch darum hat MSCI Argentinien in dieser Woche nicht nur eine Hochstufung verweigert, sondern es nicht mal zum Kandidaten für eine Hochstufungsprüfung 2026 erklärt. Eine teure Ohrfeige für Javier Milei und seinen Finanzminister Luis Caputo.

Von Andreas Fink, Buenos Aires

Alle wichtigen Aktienmärkte Südamerikas konnten 2025 deutliche Zuwächse erzielen. Nur Argentiniens Börsen verloren deutlich. Seit seinem Höchststand Anfang Januar 2025 mit 2,83 Mill. Punkten hat der Merval-Index in Buenos Aires deutlich eingebüßt und liegt nun bei etwa 2 Mill. Punkten. Der letzte Dämpfer kam vorigen Dienstag aus New York. Dort hat Morgan Stanley Capital International (MSCI) Hoffnungen von Regierenden und Anlegern zerstreut.

Seit 2021 führt MSCI Argentinien als „standalone“, also als Markt mit erheblichen Eigenheiten. In Buenos Aires hatten viele geglaubt, dass Argentinien wieder in die unterste MSCI-Region „Frontier“ aufgenommen werden könnte. Doch MSCI wollte das Land trotz der Reformen der Regierung von Javier Milei nicht einmal zum Anwärter auf eine Anhebung erklären. Dieses könnte nun frühestens 2026 erfolgen, weshalb der angestrebte „Frontier“-Status bestenfalls 2027 erreicht werden kann.  In seiner „Market Accessibility Review“ stellte MSCI fest, dass Argentinien die Mindestkriterien für eine eventuelle Aufwertung hinsichtlich Liquidität, Marktzugang und regulatorischem Rahmen nicht erfüllt. Fonds, die Indizes wie den MSCI Emerging Markets oder den MSCI Frontier Markets abbilden, berücksichtigen keine Aktien aus „standalone“- Ländern.

Hausgemachte Ursachen

Nach diesem Rückschlag verlautbarten Regierungskreise, man habe mit einem solchen Urteil gerechnet. Aber tatsächlich hatten Spitzenbeamte durchsickern lassen, eine Hochstufung stehe bevor. Dass diese nun ausbleibt, bedeutet ein neuer Stein auf dem Weg einer Regierung, der noch im Vorjahr alles zu gelingen schien. Die das erste Haushaltsplus seit 16 Jahren erwirtschaftete, die Staatsausgaben um fast ein Drittel reduzierte und die Inflation massiv senkte. Diese Bilanzen führten dazu, dass die Börsenwerte in Buenos Aires, in Dollar gerechnet, im Vorjahr um 124% zulegen konnten. Aber kaum hatte das neue Jahr begonnen, ließen die Kurse nach. Was erst anmutete wie gewöhnliche Gewinnmitnahmen, steigerte sich mit dem Amtsantritt Donald Trumps und der allgemeinen Volatilität auf den Weltmärkten.

Aber jenseits der Grenzen lag nur ein Teil der Ursachen. Der andere war hausgemacht. Im so erfolgreichen zweiten Halbjahr 2024 hatten Javier Milei und sein Finanzminister Luis Caputo eine Steueramnestie aufgelegt, die knapp 30 Mrd. Dollar in das devisenschwache Finanzsystem brachte. Die auf Bankkonten eingezahlten Matratzendollars halfen der Regierung, Importe zu finanzieren und den Peso zu stützen. Weil die Zentralbank im Juli zudem die Notenpresse vollkommen anhielt, wurde der Teuerung der Treibstoff entzogen. Geschwind wandelte sich der Peso von einer stark unterbewerteten zu einer der am meisten überbewerteten Währungen der Welt.

Noch im roten Bereich

Die Folgen zeigten sich seit Anfang 2025: Nach dem Ende der Steueramnestie waren die Devisenreserven bald erschöpft und rutschten tief in die roten Zahlen, weil die Notenbank in den ersten drei Monaten fast fünf Mrd. Dollar verbrauchte, um die Währung zu stabilisieren. Das endete erst Mitte April, als der IWF nach US-Intervention seinem größten Schuldner weitere 20 Mrd. Dollar zusagte und sofort 12 Mrd. überwies. Diese Mittel waren explizit für den Aufbau der Währungsreserven vorgesehen und sollten nicht für den täglichen Umlauf dienen. Aber während Importe und Auslandsreisen der Bürger das Defizit im Außenhandel im ersten Quartal 2025 auf fast 5,2 Mrd. Dollar trieben, sind die Währungsreserven immer noch im roten Bereich. Um dem IWF am 9. Juli wie vereinbart knapp 5 Milliarden Dollar für die Zinsen eines früheren Kredits zurückzahlen zu können, musste Finanzminister Caputo sich von einem Konsortium internationaler Großbanken 2 Mrd. Dollar ausleihen, zu 8,25% Zins. Dass dieser teure Kredit ausgerechnet im Juni aufgenommen wurde, in dem die Soja-Ernte die höchsten Deviseneinnahmen generiert, nährt die Zweifel, ob die Währungsstützung bis zu den Halbzeitwahlen funktionieren kann. Am 25. Oktober wird die Hälfte der Kongressmandate sowie ein Drittel des Senats neu besetzt.

Das ist Mileis wichtigster Termin, denn seine Partei „La Libertad Avanza“ benötigt in Parlament und Senat dringend Zuwächse, um überfällige Reformen von Arbeitsrecht, Pensionsfonds- und Steuersystem angehen zu können. Bislang regiert Milei vor allem per Dekret, aber die dafür erlassene Sondervollmacht endet am 8. Juli. Mileis größter Trumpf ist die Stabilisierung der Preise und den will er unbedingt bis zum Wahltag retten. Aber je größer die dafür eingesetzten Mittel werden, desto geringer werden die Chancen, dass das „Länderrisiko“ sinken wird. Dieser von JP Morgan berechnete Wert spiegelt mögliche Gefahren und beziffert die Aufschläge, die ein Land zahlen muss, um an den Kapitalmärkten Kredite aufzunehmen. Derzeit liegt Argentiniens „riesgo país“ bei etwa 700 Punkten, es müsste daher 7% mehr Zins zahlen als die US-Notenbank. Darum scheint eine schnelle Neuverschuldung unmöglich. Und der IWF, der am Dienstag eine Kommission nach Buenos Aires geschickt hat, könnte die in zwei Wochen geplante Auszahlung von weiteren 2 Mrd. Dollar blockieren, sollte Caputo die Reserven nicht stärken. Dafür müsste die Zentralbank Dollars aufkaufen, aber im Gegenzug neue Pesos drucken, was die Teuerung wieder antreiben dürfte.

Argentinien nicht abschreiben

Trotz all dieser Schwierigkeiten scheinen Investoren Argentinien nicht abschreiben zu wollen. In der abgelaufenen Woche brachte das IIF Argentina Economic Forum Investoren, Ökonomen und politische Entscheider in Buenos Aires zusammen, sämtliche Plätze waren ausverkauft. Reiche Vorkommen an Mineralien, Öl, Gas und der Agrarsektor versprechen enorme Gewinne. Auch Banktitel und Immobilien dürften deutlich an Wert gewinnen, sollte die Regierung Milei die aktuellen Finanzierungsprobleme überwinden. Den Schlüssel dazu haben die argentinischen Wähler. Sollte Milei vor dem Wahltag am 25. Oktober eine Abwertung vermeiden können, dürfte seine Partei deutliche Zugewinne einfahren.

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