Im InterviewOliver Schmidt, CIO Metzler Asset Management

„Das Umfeld ist generell positiv für Bundesanleihen“

Mit einem Flächenbrand in Sachen Handelskrieg rechnet Metzler Asset Management derzeit nicht mehr. Als Nutznießer dieser Entwicklung sieht das Haus Bundesanleihen und Gold.

„Das Umfeld ist generell positiv für Bundesanleihen“

Herr Schmidt, rechnen Sie noch mit einem breit angelegten Flächenbrand in Sachen US-Handelskrieg in Anbetracht der ersten erfolgten bilateralen Abkommen?

Zu Beginn der Zollankündigung Anfang April sah alles nach einem Flächenbrand aus. Das hat man auch an den erhöhten Stresslevels am Markt, d.h. der Volatilität gesehen. Heftige Bewegungen in beide Richtungen waren in diversen Marktsegmenten die Folge. Das Niveau der Volatilität war zwar nicht vergleichbar mit der Finanzkrise, aber die Bewegungen waren enorm. Gut anderthalb Monate später sind wir in der Kursentwicklung mehr oder minder dort, wo wir vor dem „Liberation Day“ waren oder sogar höher wie beim Dax. Das zeigt, wie schnell Kapitalmärkte auch derartige Entwicklungen antizipieren, verarbeiten und adaptieren können. Das hat auch damit zu tun, dass Trump ein Stück weit zurückgerudert ist, und zwar relativ schnell. Es gibt jetzt erste Deals, etwa das Handelsabkommen mit Großbritannien, was für eine gewisse Entspannung sorgt. Das entscheidende Signal ist jetzt, dass Unternehmen wieder Planbarkeit bekommen. Das gibt auch Sicherheit, die den Finanzmarkt stabilisiert. In der aktuellen Situation sehen wir keine akute Gefahr mehr für einen Flächenbrand.

Wie scharf könnte der Handelskrieg gegenüber Europa nun noch ausfallen?

Wir müssen uns darauf einstellen, dass die USA auch künftig stärker auf ihre europäischen Handelspartner einwirken werden, wenn es der eigenen wirtschaftspolitischen Situation dient. Es besteht eine gute Chance, dass die EU ein Handelsabkommen mit den USA erzielen kann – vielleicht auf einem Zollniveau von 10%. Damit kann die EU leben. Sollte es zu keiner Einigung kommen, wäre es für die EU deutlich schwieriger, insbesondere in den Sektoren Automobil und Maschinenbauindustrie.

Könnte aus dem Handelskrieg letzten Endes auch „nur“ ein Finanzkrieg werden?

Das wären dann die diskutierten Kapitalverkehrskontrollen seitens der USA oder etwa die Überlegung, dass die ausländischen Investoren ihre US-Staatsanleihen umtauschen müssen in womöglich 100-jährige Bonds mit Nullzinsen, um das Staatsdefizit der USA auf lange Sicht zu finanzieren. Diese Maßnahmen wären äußerst kontraproduktiv. Die USA haben nämlich ein hohes Handels- und Haushaltsdefizit und sind auf den stetigen Kapitalzufluss aus dem Ausland angewiesen. Ich sehe allerdings nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass solche Maßnahmen umgesetzt werden. Aufgrund dieser Diskussionen werden US-Staatsanleihen bereits von vielen ausländischen Anlegern kritischer betrachtet. Bleibt noch das Machtinstrument Dollar. Kein Land kann ohne Zugang zu US-Dollar-Finanzierung Welthandel betreiben – bisher wurde er im Handelskonflikt noch nicht als Druckmittel eingesetzt.

Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass sich gerade asiatische Adressen etwa China und Japan als Halter von US-Staatsanleihen aus dem US-Raum zurückziehen?

Ein geringeres Engagement ist durchaus nicht unwahrscheinlich. Aber wenn Positionen in größerem Umfang abgebaut werden sollten, um das Kapital ins eigene Land zu transferieren, wäre damit auch eine unmittelbare, stärkere Aufwertung der jeweiligen heimischen Währung und eine Abwertung des US-Dollar verbunden. China leidet derzeit eher unter deflationären Tendenzen. Eine starke Aufwertung des Yuan, durch Auflösen von Positionen in US-Assets und Rückführung des Kapitals nach China, würde die deflationären Tendenzen eher verstärken. Daher dürfte China kein großes Interesse an einer Auflösung seiner US-Finanzanlagen haben. Grundsätzlich sollten aber die asiatischen Länder geordnet ihre Währungen aufwerten und somit zu einer Verringerung der globalen Ungleichgewichte beitragen.

Wie sieht es diesbezüglich mit europäischen Adressen aus: Verkaufen diese in größerem Stil US-Staatsbonds oder rechnen Sie in Zukunft damit?

In der Tat haben manche Kunden ihre Quote in US-Staatsanleihen bereits etwas reduziert. Der Grund dafür ist aber weniger der Handelskrieg, sondern die zunehmende Sorge über die anhaltende US-Staatsschuldenthematik, die seit einigen Monaten immer offensiver an den Kapitalmärkten diskutiert wird. In diesem Zusammenhang treibt die Anleger auch die Sorge vor einem Angriff auf die Unabhängigkeit der US-Notenbank um. Dabei geht es um die Frage, wer neuer Fed-Präsident nächstes Jahr wird.

Welche Assets könnten von einem derartigen Rückzug aus US-Bonds profitieren?

Gold sieht weiterhin sehr attraktiv aus. Auch ausländische Zentralbanken könnten Dollar verkaufen und dann in Gold investieren. Voriges Jahr haben die Zentralbanken weltweit ca. 100 Mrd. Dollar in Gold investiert. Die Devisenreserven liegen weltweit bei 12 Bill. Dollar. Davon könnte durchaus noch ein Teil in Gold fließen. Tendenziell werden wir eine strukturelle Dollarschwäche bekommen. Davon werden vor allem Schwellenländer profitieren, da sie abhängig von Dollarfinanzierungen sind. In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass es in Phasen eines schwachen Dollars für Schwellenländer einfacher war, Dollar-Finanzierung zu erhalten. Gold und Schwellenländer werden wahrscheinlich am stärksten profitieren.

Bundesanleihen sollten vor einer guten Zukunft stehen. Gilt das auch vor dem Hintergrund der enormen Kreditaufnahme, die der Bund in Sachen Infrastruktur und Verteidigung plant? Kann das problemlos am Markt absorbiert werden?

Grundsätzlich ja. Deutschland ist und bleibt der sichere Hafen sowohl in politischer als auch fiskalischer Hinsicht. Entscheidend wird sein, dass zusätzliche Mittel in produktive, wachstumsfördernde Projekte fließen. Es darf nicht zu reinen Transferprogrammen kommen, das ist die Gefahr. Der Markt hat in den vorigen Monaten gezeigt, dass er höhere Emissionsvolumina aufnehmen kann. Die Nachfrage institutioneller Anleger bleibt hoch. Sollte sich die Situation des Zollkrieges verschärfen, würden deutsche Staatsanleihen profitieren. Das Umfeld ist also generell positiv für Bundesanleihen.

Rechnen Sie mit einem anhaltenden negativen Bund-Swap-Spread in diesem Jahr?

Der Markt hat sich in den vergangenen Jahren strukturell geändert. Viele langfristig agierende Investoren wie Pensionskassen kaufen langlaufende Swaps, da sie darüber Duration bekommen, ohne Staatsanleihen kaufen zu müssen. Sie können ihr Kapital dann für andere Finanzanlagen nutzen und so ein besseres Renditeergebnis erzielen. Das heißt, wir haben eine strukturell starke Nachfrage nach Swaps und von daher erwarten wir, dass der Bund-Swap-Spread auf längere Zeit negativ bleiben wird. Die Staatsverschuldung Deutschlands hat damit weniger etwas zu tun.

Welche Aktiensegmente, d.h. Branchen sollten profitieren von diesem Handelskrieg?

Wir bevorzugen Unternehmen und Sektoren mit relativ flexiblen Lieferketten. Darüber hinaus Namen, die eine starke Marktposition haben und deshalb gut durch diese aus Politik und Geopolitik entfachten Belastungen kommen. Im Blick haben wir in diesem Zusammenhang die Bereiche Verteidigung und Cybersecurity, die eher ein Profiteur geopolitischer Veränderungen sind. Und darüber hinaus sind Schlüsselindustrien wie Energie und Halbleiter ebenfalls interessant. Und dann gibt es unabhängige Bereiche wie Agrartechnologie, Wasser, Infrastruktur. Das sind Themen, die positiv hervorstechen können in so einem neuen Umfeld.

Und welche Aktiensegmente sollten am stärksten unter dem Handelskrieg leiden?

Das sind ganz klar die Exportwirtschaft und die zyklischen Industrien. Bei einem anhaltenden Handelskrieg wird es kein starkes Wachstum der Weltwirtschaft geben. Zyklische Aktienwerte könnten dann nochmal deutlich abverkauft werden. Auch klassische Exportsektoren wie Maschinenbau, Automobilzulieferer, aber auch Luxusgüter, die eigentlich relativ krisenresistent sind, könnten unter diesen starken Handelshemmnissen besonders mit Blick auf China leiden. Kritisch schauen wir auch auf den Logistik-Bereich. Diese Firmen haben ein strukturelles Problem – die Fragmentierung der Lieferketten ist jetzt nicht grundsätzlich neu, sondern besteht bereits seit Beginn des Ukrainekriegs. Und auch Finanzdienstleister mit einem Exposure gegenüber Asien oder mit einem starken Dollar-Bedarf könnten in der nächsten Zeit unter Druck geraten.

„Das Umfeld ist generell positiv für Bundesanleihen“

CIO von Metzler Asset Management sieht auch für Gold weiter Rückenwind – Kunden reduzieren Positionen in US-Staatsanleihen

Die akute Gefahr für einen Flächenbrand durch den US-Handelskrieg sieht der Chief Investment Officer (CIO) von Metzler Asset Management, Oliver Schmidt, nicht mehr. In dem gegenwärtigen Umfeld sollten aber die Bundesanleihen und auch Gold gefragt bleiben. Positive Impulse könnten sich auch für Schwellenländer ergeben.

Das Interview führte Kai Johannsen. Das vollständige Interview lesen Sie auf www.boersen-zeitung.de

IM INTERVIEW: OLIVER SCHMIDT

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