Aktienmarkt

Der Berg ruft den Dax

Aus Sicht der Trendanalyse wäre das wahrscheinlichste Szenario aus gegenwärtiger Sicht eine Gipfelbildung im Dax. Dieses Negativszenario muss allerdings noch bestätigt werden.

Der Berg ruft den Dax

Von Stefan Salomon*)

Auf zwei Grundannahmen fußt die Chartanalyse. Zum einen wird das Herdenverhalten der Masse der Anleger untersucht. Hierfür bedient sich der Chartanalyst der Trendanalyse. Relevant ist dabei, ob sich ein Markt in einem Trend befindet oder eben nicht. Einen starken Trend zeichnet in der Regel aus, dass hier „Ansteckungseffekte“ in der Masse der Anleger vorliegen und die Trenddefinition erfüllt ist. Zum anderen wird das Verhalten der Masse der Anleger hinsichtlich bekannter Verhaltensmuster untersucht. Euphorie, Gier, Angst oder gar Panik sind dabei grundlegende massenpsychologische Phänomene, auf denen diese Verhaltensmuster der Masse von Anlegern beruhen. Die Formationsanalyse darf als die Methodik bezeichnet werden, die entsprechende Verhaltensmuster nicht nur beschreibt und definiert, sondern möglichst auch statistische Untersuchungen über die Folgen der auftretenden Verhaltensmuster bereithält.

Gipfel wahrscheinlich

Bezogen auf die aktuelle Chartsituation im Deutschen Aktienindex zeigt die Trendanalyse auf, dass sich der Aktienmarkt innerhalb eines sehr breiten langfristigen Aufwärtstrendkanals befindet. Dieser kann seit 2016 konstruiert werden – mit einem Fehlausbruch zur Coronakrise im März 2020. Mit einem Re-Break in den Trendkanal im Mai 2020 war sodann die obere Trendkanalbegrenzung ein Kursziel. Dieses Ziel ist nun jedoch fast erreicht. Es besteht so lediglich noch Restpotenzial in Richtung 16800 bis 17000 Punkte. Allerdings zeigt die Trendanalyse ein Warnsignal auf. Denn seit April 2021 haben es die Bullen nicht mehr geschafft, die Aufwärtsbewegung seit Anfang 2020 fortzusetzen.

Markt tritt auf der Stelle

Der Markt tritt kräftig pendelnd auf der Stelle. Dieses Unvermögen der Bullen, der Käufer, den Markt in Richtung der oberen Trendkanalbegrenzung zu treiben, weist auf eine Schwäche der Aufwärtsbewegung hin. Zudem besteht gegenwärtig kein kurz- oder mittelfristiger Aufwärtstrend mehr. Vielmehr wurde der seit März 2020 bestehende Aufwärtstrend in den vergangenen Wochen seitwärts pendelnd verlassen. Ohne neue Tops oder gar einen Ausbruch aus dem langfristigen Aufwärtstrendkanal kann keine neue Aufwärtstrendlinie an den Linienchart auf Wochenbasis angelegt werden. Aus Sicht der Trendanalyse wäre das wahrscheinlichste Szenario aus gegenwärtiger Sicht eine Gipfelbildung im Deutschen Aktienindex.

Eine Bestätigung für dieses negative Szenario ergibt sich allerdings erst bei einem Fall unter eine Unterstützungszone, die ausgehend von der japanischen Candlestick-Methodik und den Wochen- als auch Tageskerzen bei circa 15000 bis 14800 Punkten angenommen werden kann. Ein Fall daher per Wochenschlusskurs unter 14800 Punkte wäre ein negatives starkes Richtungssignal. Ein erstes Abwärtsziel wäre sodann der Bereich um die runde Marke von 14000 Punkten. Aus Sicht des Liniencharts auf Wochenbasis ergibt sich im Bereich zwischen rund 14800 und 14000 Punkten keine nennenswerte Unterstützungszone. Ein Kursverfall könnte auch sehr dynamisch erfolgen.

13000 im Negativszenario

Weitere Verluste hingegen bei diesem negativen Szenario sind nicht ausgeschlossen. Die 14000er-Marke als Unterstützung ist nicht in Beton gegossen. Vielmehr wäre ein normales Marktverhalten nach Abprall an einer oberen Trendkanalbegrenzung der nachfolgende Test der eigentlichen Aufwärtstrendlinie des Trendkanals. Diese verläuft gegenwärtig bei circa 12700 Punkten. Mithin könnte ein negatives Szenario den Deutschen Aktienindex im Zeitablauf – aufgrund der ansteigenden Aufwärtstrendlinie – bis in Richtung 13000 Punkte führen.

Das negative Szenario einer Gipfelbildung aus Sicht der Trendanalyse wird aktuell von der Formationsanalyse noch unterstützt. Die starke Pendelbewegung hat zur Ausbildung eines umgekehrten Dreiecks geführt – in der Regel ist ein solches Verhaltensmuster nach einer Aufwärtsbewegung ein Signal für eine Gipfelbildung. Doch Vorsicht! Noch ist dieses Muster nicht nach unten verlassen worden. Grundsätzlich gilt, dass Anleger bei einem Ausbruch aus dem inversen Dreieck und unter 14800 Punkten sehr vorsichtig werden sollten, da dann das oben skizzierte negative Szenario wahrscheinlicher werden würde. Doch noch fehlt ein solches Signal. Unsicherheit, welches die momentan vorherrschende Stimmung im Markt ist – so zumindest die Interpretation des Dreiecks – kann ein Vorbote für einen Stimmungswechsel und somit eine Trendwende darstellen. Doch Unsicherheit kann auch einfach eine Pause am Widerstand sein.

Starkes bullishes Signal

Würde die gegenwärtige Phase der Unsicherheit hingegen nach oben aufgelöst, müsste eine dynamische Aufwärtsbewegung in Verbindung mit Euphorie im Markt angenommen werden. Denn ein Ausbruch aus dem inversen Dreieck nach oben würde auch einen Ausbruch aus dem langfristigen Aufwärtstrendkanal bedingen – ein starkes bullishes Signal, solange sich ein solcher Ausbruch nicht als Bullenfalle erweist. Im „Best-Case-Szenario“ wäre so selbst ein Ziel von circa 22000 bis 23000 Punkten für 2022 abzuleiten.

*) Stefan Salomon ist freiberuflicher Chartanalyst, www.candlestick.de.