Rohstoffmärkte

Energie­preise gehen durch die Decke

Die europäischen Energiemärkte laufen aus dem Ruder. Der Strompreis ist auf Rekordniveau gestiegen, der Gaspreis befindet sich auf dem Weg dorthin. Derweil wird auch noch die Kohle knapp und Öl teurer.

Energie­preise gehen durch die Decke

ku Frankfurt

Teilweise starke Preisanstiege und Rekordniveaus, zumindest aber die Aussicht auf weitere Preisavancen hat es am Dienstag bei praktisch allen für Europa relevanten Energieträgern gegeben. Dadurch hat sich die europäische Energiekrise noch einmal deutlich verschärft, ohne dass eine Lösung in Sicht wäre.

Erneut Rekordniveaus gab es am europäischen Markt für Strom. Der Kontakt für deutschen Grundversorgungsstrom zu Lieferung im kommenden Jahr erreichte mit 751 Euro je Megawattstunde ein noch nie gesehenes Niveau. Dasselbe gilt für den entsprechenden französischen Kontrakt, der sogar auf 900 Euro sprang. Noch vor zwei Jahren waren Niveaus von rund 50 Euro üblich. Ein Allzeithoch markierte auch der Übernachtkontrakt in Deutschland, der in der Spitze zu 692 Euro gehandelt wurde.Am Markt hieß es, es werde damit gerechnet, dass der Beitrag, den die erneuerbaren Energien zur deutschen Stromversorgung am Donnerstag liefern, rückläufig sei. Zudem ist es in Frankreich erneut zu Ausfällen nuklearer Kraftwerkskapazitäten gekommen. Die Verfügbarkeit gab um einen Prozentpunkt auf nur noch 41 % aller Kapazitäten nach. Erneut musste Block 4 des Kernkraftwerks Paluel mit einer Kapazität von 1,3 Gigawatt wegen nicht geplanter Wartungsarbeiten abgeschaltet werden.

Der Preis für Erdgas ist aktuell stark gestiegen. Am virtuellen niederländischen Übergabepunkt TTF kletterte der Kontrakt zur Lieferung im November in der Spitze auf 324,50 Euro je Megawattstunde. Er befindet sich damit fast wieder auf dem Rekordniveau von rund 335 Euro zu Beginn des Ukraine-Kriegs. Gas zur Lieferung im vierten Quartal notierte in der Spitze mit 323,68 Euro, und der Monatskontrakt kletterte bis auf 318 Euro.

Die Marktteilnehmer reagieren darauf, dass die Aussichten auf eine baldige Erhöhung der nach Deutschland gelieferten Gasmengen schwinden. Zum einen ist es Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck nicht gelungen, bei ihrem Staatsbesuch in Kanada Zusagen für Lieferungen von Flüssiggas zu erhalten. Dies liegt unter anderem daran, dass das einzige kanadische Flüssiggasterminal an der Pazifikküste liegt und damit für Verkäufe nach Asien konzipiert ist.

Gleichzeitig sieht es kaum mehr danach aus, dass die defekten Gasturbinen der Pipeline Nord Stream 1 repariert werden, so dass dort wieder die volle Kapazität erreicht werden könnte. Zwar hat die kanadische Regierung zugesagt, dass das Land die sechs Turbinen nach der Reparatur an Deutschland übergeben werde. Auf seinem russischsprachigen Telegram-Kanal teilte der russische Erdgasexporteur Gazprom jedoch mit, derzeit werde keine der Turbinen der betroffenen Pumpstation Portowaja in Kanada repariert. Eine der Turbinen ist zwar bereits in Kanada repariert. Sie befindet sich seit einiger Zeit in Deutschland. Bislang hat es aber noch keine Einigung zwischen Deutschland und Gazprom über rechtliche Rahmenbedingungen gegeben, so dass die Turbine noch nicht nach Russland geliefert wurde. Daher wird die Pipeline derzeit nur mit 20% ihrer Kapazität betrieben. Am 31. August wird die Pipeline zudem von der russischen Seite für drei Tage zu Wartungsarbeiten abgeschaltet. Wie Gazprom mitgeteilt wird, soll sie danach wieder mit 20% in Betrieb gehen, sofern keine Schäden entdeckt werden. Eine Inbetriebnahme der brachliegenden Pipeline Nord Stream 2 wird von deutscher Seite kategorisch ausgeschlossen.

„Nicht nachhaltig“

Der gegenwärtige Gaspreis in Europa sei nicht nachhaltig, sagte ein Manager der norwegischen Equinor am Donnerstag laut der Nachrichtenagentur Reuters. Die gegenwärtigen Notierungen würden einem Ölpreis-Äquivalent von 500 bis 600 Dollar je Barrel entsprechen, betonte Øy­stein Bergsvik, Vice President bei Equinor. Bei dieser Betrachtung ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich Erdgas nur zu einem kleinen Teil durch Erdöl ersetzen lässt.

Am Weltmarkt für Rohöl sorgen die jüngsten Hinweise des saudi-arabischen Ölministers Abdulaziz bin Salman auf mögliche Förderkürzungen des Kartells Opec plus zur Verteidigung des Ölpreises nach wie vor für relativ hohe Notierungen. Brent Crude wurde am Donnerstag zu 101,40 Dollar gehandelt, ein Anstieg von 0,2% gegenüber dem Stand vom Mittwochabend

Gedämpfte Hoffnung

Zu dem aktuellen Preisniveau bei Erdöl trägt auch bei, dass der Optimismus hinsichtlich einer baldigen Einigung zwischen den USA und Iran im Streit um das Atomprogramm und damit die Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran am Donnerstag gedämpft war. Das iranische Außenministerium teilte mit, man werde die jüngste Entgegnung der USA auf Vorschläge des Iran sorgfältig prüfen, wobei es keine Hinweise auf die damit verbundene Zeitspanne gab.

Vor dem Hintergrund der Äußerungen aus Saudi-Arabien sagen die Rohstoffanalysten der schweizerischen Großbank UBS einen Anstieg des Brent-Ölpreises in den kommenden Monaten bis auf 125 Dollar je Barrel voraus. Gegenwärtig sei der Ölpreis zwar niedriger als noch vor ein paar Wochen, da sich die Marktteilnehmer Sorgen machten, dass steigende Zinsen und rekordhohe Energiepreise die Nachfrage nach Öl dämpfen. Während die Ölnachfrage in den OECD-Ländern tatsächlich zuletzt schwach gewesen sei, bleibe sie in den Ländern außerhalb der OECD stark. Diese würden mittlerweile für 54% des weltweiten Ölverbrauchs stehen. „Wir glauben, dass die Fundamentaldaten auf höhere Ölpreise hinweisen“, betonen die Analysten der UBS. Die weltweit ungenutzten Förderkapazitäten lägen unter 2 Mill. Barrel pro Tag (bpd), die Lagerbestände an Rohöl seien auf den niedrigsten Stand seit mehreren Jahren gefallen. Darüber hinaus beabsichtige die Europäische Union nun noch, ihre Abhängigkeit von russischem Öl zu reduzieren und ab der Jahreswende auf 2,8 Mill. bpd an per Tanker transportiertem russischen Öl zu verzichten. Zudem laufe die Freigabe von Öl aus der strategischen Reserve der USA im Volumen von 1 Mill. bpd per Ende Oktober aus, was die Ölknappheit zum Jahresende noch einmal verschärfte.

Wie Reuters unter Verweis auf ein Papier der Bundesregierung meldet, sieht diese auch noch Probleme in der Versorgung mit Kohle durch das Niedrigwasser des Rheins und anderer Flüsse. Die Lagerbestände an Kohle würden rapide sinken. Dies dürfte tendenziell die Nachfrage nach den vorgenannten Energieträgern weiter anheizen.