Geld oder Brief Wacker Chemie

Im Bann der Zölle

Wacker Chemie strebt für dieses Jahr ein kräftiges Wachstum an. Doch die Zollpolitik der USA setzt ein dickes Fragezeichen. Aktieninvestoren sind verunsichert.

Im Bann der Zölle

Geld oder Brief

Wacker Chemie im Bann der Zölle

Von Joachim Herr, München

Die Zollpolitik der USA setzt der Aktie von Wacker Chemie schwer zu. Von Mitte März bis Anfang April stürzte der Kurs um mehr als 30% ab – auf den tiefsten Stand seit fünf Jahren. Zwar folgte eine Erholung um etwa ein Fünftel. Doch der am 30. April veröffentlichte Bericht fürs erste Quartal stoppte die Besserung an der Börse jäh. Zum einen verfehlte das operative Ergebnis des Münchner Unternehmens die durchschnittlichen Erwartungen von Analysten, zum anderen ist die Unsicherheit groß.

Der Vorstand bestätigte die Mitte März bekannt gegebene Geschäftsprognose für dieses Jahr. Die Risiken der Zollkonflikte für die Weltwirtschaft und für Wacker Chemie sind darin allerdings ausgeblendet. Damit geht es dem Unternehmen freilich nicht anders als vielen anderen in der Industrie. Doch Analysten, zum Beispiel von der Baader Bank, befürchten, das Geschäft bessere sich im aktuellen Dreimonatsabschnitt nicht so weit, damit Wacker Chemie die Jahresziele erreichen könne.

Die Zweifel im Markt wachsen

Immerhin strebt der Konzern für dieses Jahr ein Umsatzwachstum von 7 bis 12% an. In allen Regionen und Geschäftssegmenten soll der Erlös steigen. Deutlich steigende Absatzmengen – vor allem der Chemiespezialitäten und von Polysilizium für die Solar- und Halbleiterindustrie – machen niedrigere Preise mehr als wett, so die Prognose. In den ersten drei Monaten stagnierte der Umsatz mit 1,48 Mrd. Euro. Das hatte der Vorstand auch angekündigt. Doch offenbar nehmen die Zweifel im Markt zu.

Das liegt auch daran, dass das operative Ergebnis (Ebitda) nicht nur um 26% auf 127 Mill. Euro sank, sondern zudem unter den Erwartungen blieb. Wacker Chemie nennt 135 Mill. Euro als Durchschnitt der Schätzungen. Fürs gesamte Jahr rechnet der Vorstand mit einer relativ weiten Spanne von 700 Mill. bis 900 Mill. Euro. Im vergangenen Jahr sank das Ebitda auf 763 Mill. Euro. Nach den Zahlen für das erste Quartal reduzierte das Analysehaus Jefferies seine Schätzungen für das Ebitda in diesem Jahr um 14%. Zugleich wurde das Kursziel von 100 auf 81 Euro gesenkt. Berenberg kappte diese Größe von 85 auf 75 Euro.

Gewinnschätzungen gekürzt

Jefferies begründet die verringerte Ergebnisschätzung vor allem mit einem Überhang im Polysilizium-Markt, der erheblich sei und relativ lange bleibe. Aber nicht nur dieses Geschäft verdunkle die Perspektiven für Wacker Chemie. Berenberg kürzte die Schätzungen für den Gewinn je Aktie gleich um mehr als 25% bis zum Jahr 2027. Damit würden die Auswirkungen des Handelskriegs eingerechnet.

Berenberg rät weiterhin zum Halten der Aktie. Die DZ Bank, die wie Jefferies einen Kauf empfiehlt, ließ das Kursziel mit 81 Euro unverändert. Die Analysten in Frankfurt heben die positive Seite des Quartalsberichts hervor: Für die Segmente Silikone sowie Polysilizium für das Halbleitergeschäft sei der Jahresauftakt trotz eines schwierigen Marktumfelds gut gewesen. Das größte Aufwärtspotenzial erkennt die DZ Bank für das Polysiliziumgeschäft und die Polymere.

Größter Produzent außerhalb Chinas

Polymere Bindemittel und Additive verwenden mehrere Industriebranchen, etwa der Bau für Kleb- und Baustoffe. Die größte Produktpalette von Wacker Chemie machen Silikone aus. Sie stecken zum Beispiel in Smartphones, Elektromotoren von Autos, Hochspannungskabeln und Batterien. Das Polysilizium-Geschäft für die Solarindustrie leidet sowohl unter chinesischen Anbietern, die aufgrund ihrer Überkapazitäten den Markt überschwemmen, und unter möglichen Anti-Dumping-Zöllen der USA auf Solarprodukte. Die Analysten der Deutschen Bank weisen darauf hin, dass Wacker der größte Produzent von Polysilizium außerhalb Chinas ist und damit stark abhängig von der Handelspolitik.

Im ersten Quartal 2025 fiel der Umsatz von Wacker Chemie mit Polysilizium um 18%, das Ebitda sogar um 32%. Das Unternehmen begründet dies vor allem mit einem geringeren Absatz von Solarsilizium. Dagegen habe sich das Geschäft mit höchstreinem Polysilizium für Halbleiteranwendungen positiv entwickelt. Im vergangenen Jahr waren auch wegen gesunkener Preise für Solaranwendungen der Umsatz und das operative Ergebnis des Segments um jeweils rund 40% gefallen.

Fokus auf Halbleiter

Wegen des schwierigen Solarsiliziummarkts legt Wacker Chemie den Fokus auf die Halbleitersparte. Der Umsatzanteil beider Anwendungen nähert sich einem Verhältnis von 50 zu 50. Sich ganz auf den Chipmarkt zu konzentrieren, kommt für den Vorstand jedoch nicht in Frage. Denn dafür sei dieser nicht groß genug. Vorstandschef Christian Hartel stellt klar, dass das Unternehmen auch mit Solarsilizium Geld verdiene. Zudem laste die Ausrichtung auf beide Kundengruppen die Produktionsanlagen besser aus als nur mit einer.

Ein wesentliches Element der Strategie des Vorstands ist außerdem im Segment Silikone, der Ausbau des Geschäfts mit Spezialitäten. Diese Produkte werden für einzelne Kunden entwickelt, haben eine höhere Wertschöpfung und erzielen eine höhere Marge. Es ist deshalb ein wichtiger Baustein für eine steigende Profitabilität – und damit auch für Kursfantasie an der Börse.

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