Investoren fahren hohes Junk-Bond-Risiko
Von Günther Scheppler*)
Junk Bonds haben im aktuellen Jahr eine unglaubliche Rally durchlaufen. Junk Bonds sind Anleihen, die von Emittenten begeben werden, deren Bonität unterhalb von Investment Grade liegen – also Anleihen mit einer Bonitätseinschätzung (Rating) im Bereich von BB, B oder sogar CCC. Die in Europa ausstehenden Junk Bonds bieten aktuell im Durchschnitt eine Zusatzrendite gegenüber der zehnjährigen Bundesanleihe von 2,88%. Das ist nicht viel. In den zurückliegenden zehn Jahren hat der Risikoaufschlag im Mittelwert 4,15% betragen. Im Januar 2020, kurz vor Beginn der Corona-Pandemie in Europa, betrug der Renditeaufschlag im Durchschnitt 3,03%. Das Vorkrisenniveau ist somit bereits wieder erreicht.
Defaults steigen an
Mitte März 2020 wurden die Junk Bonds in der Spitze mit einem durchschnittlichen Renditeaufschlag von extrem hohen 9,44% taxiert. Zu diesem Zeitpunkt spekulierten die Investoren, dass es aufgrund der Pandemie zu zahlreichen Unternehmensinsolvenzen kommen werde. Sie sollten Recht behalten. Laut einer von Standard & Poor’s (S&P) jüngst veröffentlichten Studie waren im vergangenen Jahr 226 der von der Ratingagentur beobachteten Unternehmen in- und außerhalb der Finanzbranche zahlungsunfähig. Die Default-Rate im Non-Investment-Grade-Bereich stieg im Jahr 2020 weltweit auf 5,5% nach 2,5% im Jahr zuvor. In Europa legte die Default-Rate von 2,2% auf 5,3% zu. Das globale Volumen an betroffenen Verbindlichkeiten ist mit 353 Mrd. Dollar im vergangenen Jahr sehr hoch ausgefallen.
Rekordwert erreicht
Dieses Volumen wurde in den zurückliegenden vier Dekaden lediglich während der Bankenkrise übertroffen. Im Durchschnitt betrug die Summe pro Default-Unternehmen 1,6 Mrd. Dollar im Jahr 2020. Damit noch nicht genug, hat sich die Bonität der Unternehmen im vergangenen Jahr deutlich verschlechtert. S&P hat insgesamt 18,5% der vergebenen Bonitäten herabgestuft. Im Gegenzug wurden lediglich 2,8% heraufgestuft. Daraus ergibt sich ein Verhältnis von Herab- zu Heraufstufungen von 6,6. Das ist ein Rekordwert in der Ratinghistorie von S&P. Zum Vergleich: Das durchschnittliche jährliche Verhältnis seit dem Jahr 1981 beträgt 1,4.
Satte Gewinne
Erstaunlich ist, dass, obwohl die Investoren mit ihrer Einschätzung eines massiven Anstiegs der Zahlungsausfälle richtiggelegen haben, die Junk Bonds im gleichen Zeitraum eine Rally mit Seltenheitswert durchlaufen haben. Anleger, die Ende März 2020 auf der Spitze des Risikoaufschlags eingestiegen sind, haben bis zum Ende des Jahres 2020 einen Gewinn von 26% erzielt – in einer absoluten Niedrigzinsphase ein fantastischer Return on Investment. Wie konnte es zu diesem kontraintuitiven Marktmuster kommen, dass die Risikoaufschläge von Junk Bonds in den vergangenen Quartalen drastisch abgenommen haben, obwohl die Zahlungsausfälle und Ratingherabstufungen massiv zugenommen haben?
Es ist am Ende nichts anderes als der Zentralbank-Put. Das Vertrauen der Marktteilnehmer in ihre Zentralbank, alles zu unternehmen, um die Refinanzierungskosten günstig zu halten, ist in der jüngsten Vergangenheit sehr hoch gewesen. Das gebetsmühlenartige Wiederholen, einsatzbereit zu sein, sollten die Risikoaufschläge deutlich zunehmen, erweist sich im Nachhinein als ein Erfolgsrezept der Zentralbanken. Bei Worten ist es allerdings nicht geblieben. Es waren letztlich die alten Anleihekaufprogramme, die fortgeführt und durch neue ergänzt wurden, die für ein gefühlt unzerstörbares Sicherheitsnetz gesorgt haben.
Hohes Vertrauen vorhanden
Das Vertrauen der Investoren geht so weit, dass sie selbst den Kauf von Anleihen mit einem CCC-Rating nicht mehr scheuen. Das Resultat ist ein aktueller Risikoaufschlag der CCC-Bonds von 5,87%. Zum Vergleich: Zu Beginn des Jahres 2020 betrug dieser Renditeaufschlag noch 7,35%. Der Zehnjahresdurchschnitt beziffert sich auf 8,55%. An dieser Stelle macht es Sinn, sich die Charakteristiken, die S&P einer CCC-Bonität zuschreibt, einmal näher anzusehen.
Ein Rating von CCC ist insgesamt eine „nicht ausreichende Bonität“. Wertpapiere mit einem CCC-Rating beinhalten eine niedrige Qualität. Darüber hinaus besteht unter Umständen nur ein geringer Anlegerschutz. Außerdem droht die Gefahr eines Zahlungsverzugs – alles in allem ein ordentliches Paket an Risiken. Die anhaltende, fast schon verzweifelnd anmutende Jagd nach Rendite in einem sich fortsetzenden Niedrigzinsumfeld hat in der Zwischenzeit Investoren in den Bereich der Junk Bonds getrieben, die solche Anleihen in der Vergangenheit nicht mit der Kneifzange angefasst hätten. Hierdurch ist es zu einem Verdrängungseffekt gekommen. Die angestammten Käufer von Junk Bonds mussten zunehmend auf die schwächeren Bonitäten ausweichen und bescherten selbst den CCC-Anleihen eine massive Rally.
Stärkere Inflationsangst
Die Rally der Junk Bonds hat in den vergangenen Tagen allerdings einen Dämpfer erhalten. Der Risikoaufschlag der Euro-Junk-Anleihen hat sich vom Jahrestiefpunkt bei 2,8% Anfang Mai auf aktuell 2,88% leicht erhöht. Der Anstieg der Dollar-Pendants ist im gleichen Zeitraum mit 0,23 Prozentpunkten deutlich höher ausgefallen. Hintergrund sind aufkeimende Inflationsängste, die keineswegs aus der Luft gegriffen sind. Wie Ende der vergangenen Woche bekannt gegeben wurde, betrug die Preissteigerungsrate in den Vereinigten Staaten im April 4,2% und lag damit nicht nur über dem Vormonatswert von 2,6%, sie übertraf auch den Erwartungswert von 3,6% deutlich.
Renditen steigen
Bei einem Inflationsanstieg dieser Dimension nehmen die Spekulationen über eine baldige Reduzierung des Grades der expansiven Geldpolitik zu. Mit einer gewissen Zeitverzögerung werden diese Spekulationen auch im Euroraum zunehmen. Die Folge sind steigende Renditen im Bereich der Anleihen, die mit einem Rating im Investment Grade geadelt sind. Der Anstieg der Renditen wird spätestens dann spürbar zunehmen, wenn sich die Europäische Zentralbank (EZB) tatsächlich mit dem Thema „Tapering“ beschäftigen wird. Je höher die Renditen im Investment-Grade-Universum steigen, umso mehr Investoren werden in das Segment zurückkehren, die sich zuletzt in den Junk-Bond-Bereich „verirrt“ haben.
Nachfrage dürfte fallen
Die daraus resultierende fallende Nachfrage dürfte dann zu einem Anstieg der Risikoprämien der Junk Bonds führen. Wie so oft am Finanzmarkt entscheidet am Ende das richtige Timing beim Ausstieg, um den Löwenanteil der Gewinne zu sichern.
*) Günther Scheppler ist Senior-Stratege Fixed Income bei der DZBank.