Kapitalmärkte

VÖB-Experten sehen Dollar fallen

Ukraine-Krieg und Covid-19-Lockdowns in China belasten Europas Konjunktur. Die Inflationsraten sind auf dem aufsteigenden Ast, ebenso die Bundrenditen. Die Experten des VÖB sehen die EZB nun bald handeln.

VÖB-Experten sehen Dollar fallen

kjo Frankfurt

Die Weltwirtschaft wird nach einem ordentlichen Jahresauftakt von dem russischen An­griffskrieg in der Ukraine und den Lockdowns in China belastet. Für den Euroraum stellt der Ukraine-Krieg einen schweren wirtschaftlichen Be­lastungsfaktor dar und lässt ein Stagflationsszenario Realität werden. Dies ist die übereinstimmende Einschätzung der Experten der Ka­pitalmarktprognosekonferenz des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB).

Verschlechterte Konjunktur

Die Strategen widmen sich dabei in erster Linie der Inflationsentwicklung, die nicht nur mehrjährige Hochs, sondern die höchsten Stände seit Jahrzehnten erreichte. Es stelle sich die Frage, ob die Inflation zur Bürde werde und wie die Zentralbanken darauf reagieren werden. Für Juli gehen die Experten von einer Zinsanhebung seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) aus. In wenigen Monaten habe sich die Konjunktur verschlechtert. Das Risiko temporärer Stopps russischer Gas- und Rohöllieferungen, weitere Lieferengpässe und ein hoher Preisdruck beeinflussen laut VÖB-Experten das Tagesgeschäft.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen prognostizieren die Ka­pitalmarktexperten aus den teilnehmenden Häusern BayernLB, DekaBank, DZ Bank, Helaba, Landesbank Baden-Württemberg und Nord/LB für das laufende zweite Quartal ein Wachstum des deutschen Bruttoinlandsprodukts in einer Spanne von 0,4% bis 0,6%. Für das Gesamtjahr 2022 bewegen sich die Prognosen der Experten in einer Spanne von 1,3% bis 2,2%, für den Euroraum zwischen 1,8% und 2,8%. Für das Jahr 2023 liegt die Prognosespanne zwischen 2% und 2,5% für Deutschland und zwischen 1,5% und 2,5% für den Euroraum.

„Die EZB operiert in einem Stagflationsumfeld, das stark vom russischen Krieg in der Ukraine bestimmt wird. Die Zentralbanker gaben sich in der Umsetzung einer straffen Geldpolitik lange zögerlich und stehen nun unter Druck“, heißt es bei den Experten unisono. Jüngste Äußerungen zeigten eine zunehmende Sorge hinsichtlich einer Verfestigung höherer Inflationserwartungen und ließen ein Ende der Nettoanleihekäufe bereits im Juni 2022 sowie einen Lift-off für Zinserhöhungen erwarten. Bereits im Juli, spätestens aber im Laufe des dritten Quartals dieses Jahres könnte laut VÖB die erste Zinserhöhung erfolgen, und es dürften weitere Zinsschritte nach oben folgen, so dass der Einlagensatz noch in diesem Jahr ins positive Terrain wechseln könnte, so die Prognose der Strategen.

So werden in der Zweimonatsbetrachtung für Deutschland Teuerungsraten in einer Spanne von 6,6% bis 7,2% für wahrscheinlich gehalten. Bei dann nahezu gleichbleibender Tendenz sehen die Strategen die Teuerung im Sechsmonatszeitraum in einer Spanne von 5,5% bis 7,3% und erst zum Ende der Zwölfmonatsbetrachtung auf einem abfallenden Niveau von 2,2% bis 3,8%.

Aufwärts gerichtete Inflationserwartungen und weiter anziehende Zinserwartungen sowohl in den USA als auch im Euroraum hätten auch die Renditen von Staatsanleihen zuletzt stark steigen lassen. Jedoch werde bei rückläufiger Inflation und schwächerem Wachstum mit einer Renditeanpassung gerechnet. So sehen die VÖB-Kapitalmarkstrategen im Jahresverlauf stagnierende oder leicht steigende Renditen bei den zehnjährigen Bundesanleihen. Die Renditen zehnjähriger US-Treasuries sehen die Experten zwischen 2,6% und 3,25%.

„Bei aller Erschütterung über den erbittert geführten Krieg Russlands gegen die Ukraine, bei allen Verwerfungen infolge der abebbenden Corona-Pandemie und bei allen Sorgen um die schleppende Konjunktur steht derzeit eines für die Finanzmärkte fest: Die Notenbanken haben der herannahenden Inflation Stoppschilder entgegengesetzt“, so die Meinung von Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. Eine erhebliche geldpolitische Straffung sei im Gange. Vor diesem Hintergrund verwundere es wenig, dass in den vergangenen Wochen die Renditen fulminant angestiegen seien und der Dax etwas geschwächelt habe. „Bis zuletzt sind die Konjunkturprognosen nach unten revidiert worden, während die Inflationsprognosen nach oben angepasst werden mussten. Das ist ein schwieriges Umfeld für Zentralbanken“, so Kater.

Ende der Fahnenstange?

Mit Blick auf die Inflations- und auch Anleiherenditeentwicklung hält Ulf Krauss von der Helaba fest, dass die Unsicherheit wächst, wo das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Denn die Hoffnung, dass sich im März ein Top bilden würde, habe sich nicht erfüllt. „Die Inflationserwartungen der Anleger haben mit zeitweise 2,5% einen neuen Höchststand erreicht und notieren inzwischen relativ nahe der US-Inflationserwartungen.“ Gründe hierfür seien unter anderem der schwache Euro, die hohe Energieabhängigkeit des Euroraums gegenüber Russland und die bislang zögerliche EZB, so Krauss. Bei der EZB sei aber zuletzt Bewegung erkennbar. Nach einigen Aussagen von Mitgliedern des EZB-Rats würden sich die Hinweise verdichten, dass die Zinswende im Euroraum schneller komme, als bislang kommuniziert worden sei.

Der Euro wird laut VÖB-Experten aktuell von einer erhöhten Risikoaversion und Sorgen um die Konjunktur im energieabhängigen Europa sowie beim wichtigen Handelspartner China belastet. In der Zwölfmonatsbetrachtung sollte bei langsam nachlassendem US-Inflationsdruck das Ende der schnellen Fed-Zinserhöhungen aber absehbar werden, während die EZB den Zins in den positiven Bereich erhöhen dürfte. Daher prognostizieren die Kapitalmarktexperten auf Jahressicht, dass der Dollar seine hohe Bewertung gegenüber dem Euro nicht halten kann und auf 1,10 bis 1,20 Dollar abgewertet wird.

Prognosen der VÖB-Kapitalmarktexperten
Rendite 10-jährige BundesanleiheEuro/Dollar
Institutin 2 Monatenin 6 Monatenin 12 Monaten in 6 Monaten
BayernLB1,000,850,751,11
DekaBank1,031,151,301,08
DZ Bank1,001,101,201,07
Helaba0,900,901,201,10
LBBW0,951,101,401,08
Nord/LB1,201,301,501,10
Durchschnitt1,011,071,231,09
Quelle: VÖBBörsen-Zeitung
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