Dax

Wahnsinn an den Märkten?

Ausgehend von der Annahme, dass sich der langfristige Trend fortsetzt, bestünde für den Dax noch Restpotenzial in Richtung 17.000 Punkte. Die Formationsanalyse deutet jedoch auf Abwärtsrisiken hin.

Wahnsinn an den Märkten?

Von Stefan Salomon*)

Als „fliegende Schweine“ betitelte der amerikanische Hedgefonds-Manager Michael Burry (der Mann, der die Finanzkrise des Jahres 2008 prognostizierte) noch im Sommer 2021 den Zustand der Märkte. Als „größte spekulative Blase aller Zeiten“ interpretierte Burry die Fi­nanzmärkte. Seitdem können sich die Aktienmärkte jedoch allen Un­kenrufen zum Trotz stabil präsentieren. Die Unsicherheit aus dem Jahr 2021 scheint sich zu legen. Der Jahresauftakt brachte zum Beispiel den Dax wieder in Richtung seines bisherigen Allzeithochs.

Hoffnung auf Normalisierung

Die Erwartung der Anleger auf ein gutes Börsenjahr 2022 ruht hierbei auf einer einfachen Überlegung. Die Corona-Pandemie könnte mit der aktuellen Welle ein Ende finden. Die Omikron-Variante, hochansteckend, aber mildere Krankheitsverläufe auslösend, bringt die erhoffte Herdenimmunität. Damit einhergehend normalisieren sich die Wirtschaftskreisläufe, die Lieferketten gehen wieder ihren gewohnten Gang und die Inflation ist nur ein vorübergehendes Schreckgespenst.

Nur eine Bärenfalle

Charttechnisch könnte das positive Szenario sogar funktionieren. Denn der Deutsche Aktienindex verläuft seit 2016 innerhalb eines langfristigen Aufwärtstrendkanals – basierend auf einem logarithmischen Linienchart auf Wochenschlusskursen. Der Corona-Crash 2020 war dabei nur eine groß an­gelegte Marktbereinigung, eine Bärenfalle. Der Ausbruch aus dem Trendkanal war lediglich ein Fehlausbruch. Vor allem der schnelle Rebreak in den Trendkanal im Juni 2020 mit nachfolgend erfolgreichem Test der Aufwärtstrendlinie im Oktober 2020 bestätigt die Annahme, dass der langfristige Aufwärtstrendkanal und dessen obere Begrenzungslinie als sehr aussagekräftig interpretiert werden dürfen.

Restpotenzial bis 17000

Jedes neue Hoch seit Ende 2020 versprach daher eine Rally an die obere Begrenzung des Trendkanals, die sogenannte Rückkehrlinie. Dieses Ziel ist allerdings noch nicht erreicht. Mithin bestünde ausgehend von der Annahme, dass sich der Trend langfristig weiter fortsetzt, noch Restpotenzial in Richtung 17000 Punkte. Hier würde die Rückkehrlinie als Widerstand fungieren. Dieses Niveau müsste jedoch noch nicht den Endpunkt der Fahnenstange darstellen. In übergeordneten Bullenmärkten be­wegen sich die Kurse nach Erreichen der oberen Trendkanalbegrenzung oftmals ansteigend entlang dieser Rückkehrlinie – bis ein Ausbruch nach oben auf eine Phase der Euphorie und somit ein Ende des Bullenmarktes hinweist. Damit könnte der Deutsche Aktienindex in den kommenden ein bis zwei Jahren auch in Richtung 20000 Punkte streben.

Die Unsicherheit der Marktteilnehmer über die weitere Richtung des Marktes, die sich im Kursverlauf des Deutschen Aktienindex in kräftigen Kursschwüngen und einer Pendelbewegung seit April 2021 manifestiert, muss allerdings als Warnsignal aufgefasst werden. Konjunktur, Zinsentwicklung, In­flation, Coronawelle in China etc. – dies sind derzeit noch Imponderabilien, die die Marktakteure auch zu Absicherungsgeschäften auf hohem Niveau geradezu zwingen. Unsicherheit wiederum als Marktphase geht einem Stimmungsumschwung oftmals voran. Würde daher die gegenwärtig breite Range im Deutschen Aktienindex nach unten verlassen werden, so entstünde ein sehr aussagekräftiges Verkaufssignal im kurz- bis mittelfristigen Zeitfenster.

Trendwendemuster

Für das negative Szenario einer aktuellen Gipfelbildung im Dax spricht die Formationsanalyse. So hat sich über die letzten Monate ein umgekehrtes, inverses Dreieck ausgebildet. Entsprechende Formationen gelten in dem Teilbereich Formationsanalyse der Chartanalyse als Gipfelbildungen und potenzielle Trendwendemuster. Die hier im Zeitablauf nicht abnehmende Unsicherheit – wie es ein durchaus normales Marktverhalten ist –, sondern zunehmende Verunsicherung der Börsianer führt sodann zu stark ausgeprägtem irrationalen Entscheidungsverhalten – mit der Gefahr einer Trendwende nach einem Bullenmarkt.

Risiko Zinserwartungen

Relevante Kursmarken wären für das negative Alternativ-Szenario die 200-Tage-Linie, die gegenwärtig bei 15601 Punkten notiert, sowie relevante horizontale Unterstützungszonen im Bereich 15400, 15000 und vor allem 14800 Punkten. Ein Break dieser Marken auch per Wochenschlusskurs wäre jeweils negativ. Das Risiko einer Trendwende würde bei deutlich anziehenden Zinserwartungen an­steigen. Anleger sollten daher nicht nur die oben erwähnte Unter­stützungszone im Auge behalten. Der Bund-Future weist in seinem einfach zusammengesetzten Endlos-Kontrakt die Bildung eines langfristigen Dreiecks auf. Die Unterkante des Dreiecks verläuft derzeit bei circa 168%. Ein Break dieser Unterstützung wäre ein weiteres Indiz für eine mögliche Trendwende im Aktienmarkt, da ein Ausbruch des Bund-Futures aus dem seit 2019 bestehenden Dreieck nach unten eine sehr dynamische Kurs­reaktion des Bund-Futures in Richtung 160 bis 158% zur Folge haben könnte.

*) Stefan Salomon ist freiberuflicher Chartanalyst, www.candlestick.de.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.