IMK-Studie

Arbeits­kosten trotz Corona stabil

Trotz der Corona-Pandemie haben sich die Lohnkosten in Europa moderat entwickelt. Eine neue Studie schätzt die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale nur als gering ein.

Arbeits­kosten trotz Corona stabil

ast Frankfurt

Die Arbeits- und Lohnstückkosten haben sich über die vergangenen Jahre stabil entwickelt, also im Rahmen des 2-Prozent-Ziels der Europäischen Zentralbank (EZB). Das geht aus einer Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor. Die Ökonomen schätzen die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale – also sich hochschaukelnder Verbraucherpreise und Lohnforderungen – als gering ein.

„Erst die Pandemie, aktuell der russische Angriffskrieg in der Ukraine – und aus beiden Schocks folgend eine Inflation, wie wir sie seit den 1980er Jahren nicht mehr erlebt haben“, konstatierte Sebastian Dullien, Direktor des IMK, bei der Vorstellung der Studie. Dennoch seien die meisten europäischen Länder, insbesondere Deutschland, „binnenwirtschaftlich stabil und außenwirtschaftlich hoch wettbewerbsfähig“.

„Die von manchen beschworene Preis-Lohn-Spirale ist bislang kein Thema“, gab Dullien Entwarnung. Im Falle Deutschlands zeige sich zudem die stabilitätsfördernde Wirkung der Sozialpartnerschaft, „sowohl durch die direkte Mitwirkung der Beschäftigten an strategischen Unternehmensentscheidungen im Rahmen der Mitbestimmung wie auch durch die relativ zentralisierten und gut koordinierten Tarifverhandlungen“, so Dullien.

Zwar stiegen die Lohnstückkosten in Deutschland während des ersten Coronajahrs 2020 zunächst, weil krisenbedingt die Löhne zulegten, während die Produktivität rückläufig war. Der Effekt kehrte sich jedoch im zweiten Coronajahr um. Schaut man auf beide Jahre, lag der jährliche Zuwachs der Lohnstückkosten bei 2,1% – und damit nahezu auf dem Inflationsziel der EZB von 2%. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, haben sich die deutschen Lohnstückkosten allerdings unterdurchschnittlich entwickelt. Selbst mit dem kleinen Sprung 2020 misst das IMK über den gesamten Zeitraum von 2000 bis 2021 im Jahresmittel nur ein Plus von 1,3% – und damit deutlich weniger als in anderen europäischen Ländern (siehe Grafik).

Das sei ein Grund dafür, dass ein großer Teil der deutschen Wirtschaft weiterhin über große Reserven verfüge, erklärte Dullien. Angesichts der zunehmenden Warnungen vor einer Lohn-Preis-Spirale – zuletzt etwa nach Bekanntwerden der Lohnforderung von 8% der IG Metall – mahnte Dullien zu mehr Gelassenheit. Selbst wenn die Lohnkosten 2022 oberhalb von 3% lägen, „wäre das keine echte Preis-Lohn-Spirale, sondern lediglich eine Korrektur der schwachen Vorjahre“, erklärte Dullien.

Im europäischen Vergleich steht Deutschland bei den Arbeitskosten, die sich aus Bruttolohn, Arbeitgeberanteilen an den Sozialbeiträgen, Aufwendungen für Aus- und Weiterbildung und einigen Steuern zusammensetzen, auf Rang 7.

Kein Wettbewerbsnachteil

Im vergangenen Jahr legten die Arbeitskosten hierzulande nominal um 1,2% zu. Eine Arbeitsstunde war demnach nur in Dänemark, Luxemburg, Schweden, Belgien, Frankreich und Österreich teurer. Schlusslichter sind Rumänien und Bulgarien mit Arbeitskosten von 8,10 und 6,90 Euro pro Stunde, allerdings bei Zuwächsen von 4,2 und 7,7%.

Angesichts der moderaten Entwicklung der Lohnstückkosten und der weitgehend stabilen Außenhandelsüberschüsse des Euroraums konstatieren die IMK-Autoren, dass auch während der Coronakrise die Euro-Länder und besonders Deutschland nichts an ihrer Wettbewerbsfähigkeit verloren haben – und von Seiten der Lohnentwicklung auch keine Gefahr für diese drohe. Dass auch in Zukunft die Arbeitnehmer vom gesamtwirtschaftlichen Wohlstandsfortschritt profitieren, könne die Lohnpolitik allerdings nicht alleine gewährleisten. „Hier wird die Wirtschaftspolitik als Ganzes gefragt sein“, forderte IMK-Direktor Dullien.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.