Bestand und Reichweite

Auftragsstau der Industrie löst sich sukzessive

Die Auftragsbücher der deutschen Industrie werden im November dünner. Auch können die Bestellungen wegen der günstigeren Materialversorgung wieder schneller abgearbeitet werden.

Auftragsstau der Industrie löst sich sukzessive

ba Frankfurt

Im November ist das Auftragspolster der deutschen Industrie ein weiteres Stück dünner geworden. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) fiel der reale (preisbereinigte) Auftragsbestand im verarbeitenden Gewerbe kalender- und saisonbereinigt um 1,2% zum Vormonat. Und auch die Reichweite des Auftragsbestands ist gesunken – sie liegt nun bei 7,3 Monaten, nach 7,6 Monaten im Oktober. So lange müssten die Betriebe theoretisch bei gleichbleibendem Umsatz produzieren, um die bereits vorhandenen Aufträge abzuarbeiten. Nils Jannsen, Leiter Konjunktur Deutschland am IfW Kiel, zeigt sich allerdings trotz des zweiten Rückgangs im Verlauf der vergangenen drei Monate kaum besorgt: Die Auftragsbestände seien „weiter auf ausgesprochen hohem Niveau und werden die Konjunktur im laufenden Jahr stabili­sieren“.

Die Wiesbadener Statistiker führen den Rückgang unter anderem auf sinkende Auftragseingänge und sich zuletzt entspannende Lieferketten zurück. Laut Ifo-Institut berichteten im Dezember noch 50,7% der befragten Firmen von Engpässen und Problemen bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen. Im November waren es noch 59,3%, im Oktober 63,8%. „Eine Auflösung der Engpässe scheint sich nun in vielen Branchen abzuzeichnen“, erklärte dazu Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. „Dies wird die Konjunktur in den kommenden Monaten stützen.“ Abhängig von der Entwicklung der Corona-Lage in China könne es aber auch wieder zu Rückschlägen kommen, mahnte Wohlrabe. In China breitet sich nach der unerwarteten Kehrtwende bei der strikten Null-Covid-Politik das Virus rasant aus und derzeit reisen Millionen Menschen vor dem chinesischen Neujahrsfest zu ihren Familien, so dass mit weiter steigenden Fallzahlen und eventuell erneuten Lockdowns zu rechnen ist.

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 waren die Auftragseingänge gesunken – laut Jannsen um 15%. Im November betrug das Minus der Neubestellungen 5,3% im Monatsvergleich, laut Destatis ist damit das niedrigste Niveau seit Juli 2020 erreicht. Der Rechnung des IfW Kiel zufolge liegt der Auftragsbestand aktuell „allerdings immer noch um über 30% über dem Niveau von Anfang 2020“ und um 3,1% über dem Stand von November 2021.

Der hohe Auftragsbestand könnte allerdings rasch aufgezehrt sein, wenn die Orderzahlen für einen längeren Zeitraum weiter deutlich sinken, „insbesondere wenn es zusätzlich noch zu umfangreichen Stornierungen kommen sollte“, mahnt Jannsen. Derzeit spreche – etwa wegen der jüngsten Stimmungsaufhellung – aber mehr dafür, dass sich die Bestellungen wieder stabilisieren. „Insgesamt dürfte das dicke Auftragspolster ausreichen, um die Talsohle bei den Auftragseingängen ohne größere Rückgänge bei der Industrieproduktion zu durchschreiten.“ Für das Gesamtjahr 2023 stehen Jannsen zufolge die Chancen für eine Ausweitung der Industrieproduktion trotz der zuletzt schwachen Auftragseingänge gut.