Notenbanken

BIZ gibt Kampf gegen hohe Inflation oberste Priorität

Weltweit stemmen sich viele Zentralbanken mit starken Zinserhöhungen gegen die hohe Inflation. Zugleich wächst die Sorge vor einer globalen Rezession. Mancher Kritiker argwöhnt, die Zentralbanken würden bereits überziehen. Jetzt bezieht die Zentralbank der Zentralbanken BIZ Stellung.

BIZ gibt Kampf gegen hohe Inflation oberste Priorität

ms Frankfurt

Trotz zunehmender Sorgen vor einer globalen Rezession muss es laut der Zentralbank der Zentralbanken BIZ jetzt für die Notenbanken oberste Priorität haben, die zugleich viel zu hohe Inflation zu senken und wieder unter Kontrolle zu bringen. Das Risiko, dass die Weltwirtschaft erneut in eine Phase von hoher Inflation eintritt, sei real, schreibt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in ihrem am Sonntag veröffentlichten jährlichen Wirtschaftsbericht. „Für die Zentralbanken kommt es nun darauf an, schnell und entschieden zu handeln, bevor sich die Inflation festsetzt“, sagte BIZ Generaldirektor Agustín Carstens. Ansonsten würden die wirtschaftlichen Kosten langfristig noch sehr viel höher ausfallen.

Die BIZ bezieht damit eindeutig Stellung in der zunehmend kontroversen Diskussion über die globale Geldpolitik. Weltweit kämpfen viele Notenbanken mit hochschnellenden Preisen, die unter anderem durch die Folgen des Ukraine-Kriegs angeheizt werden. In den USA etwa lag die Inflation im Mai bei 8,6%, im Euroraum bei 8,1%. Die Fed erhöht deshalb die Leitzinsen in einem Tempo wie seit Jahrzehnten nicht. Zugleich wächst aber wegen des Kriegs, aber auch wegen anderer Störfaktoren wie anhaltenden Lieferkettenproblemen die Sorge vor einer weltweiten Rezession – was zuletzt auch die internationalen Finanzmärkte stark belastet hat.

Für die BIZ ist klar, wo jetzt das Hauptaugenmerk der Notenbanken liegen muss – auf der Inflationsbekämpfung statt der Wirtschaftsstützung. „Wenn die Inflation sich erst einmal etabliert hat, werden die Kosten, sie wieder unter Kontrolle zu bringen, höher sein“, sagte Carstens. „Der längerfristige Nutzen einer Aufrechterhaltung von Stabilität für Privathaushalte und Unternehmen überwiegt gegenüber den kurzfristigen Kosten.“ Deshalb sei jetzt seitens der Zentralbanken rasches und entschlossenes Handeln erforderlich, um niedrige und stabile Inflationsraten wiederherzustellen.

Unter den führenden Notenbanken der Welt gibt es derzeit im Kurs durchaus große Unterschiede. Die Fed hat ihren Leitzins seit März um 150 Basispunkte erhöht; dabei zuletzt im Juni erstmals seit 1994 in einem Schritt gleich um 75 Basispunkte. Auch die Bank of England hält trotz zunehmender Schwäche der Wirtschaft strikt am Zinserhöhungskurs fest. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of Japan agieren dagegen sehr viel vorsichtiger. Die EZB hat zwar eine beschleunigte Zinswende ab Juli avisiert. Es gibt aber zunehmend Zweifel, wie entschlossen diese ausfällt. Das liegt auch daran, dass die EZB wegen des Anstiegs der Euro-Staatsanleiherenditen bereits über neue Hilfen für hoch verschuldete Staaten nachdenkt.

Durch die Priorisierung der Inflationsbekämpfung sollten negative Auswirkungen auf die konjunkturelle Entwicklung minimiert und finanzielle Stabilität gewährleistet werden, argumentiert nun die BIZ. Eine entschlossene Straffung erhöhe die Chance auf eine „sanfte Landung“ der Wirtschaft, so Carstens. Eine langsame und graduelle Straffung bringe eine Notenbank dagegen eher ins Lager einer „harten Landung“. Insbesondere die EZB pocht sehr stark auf eine graduelle Normalisierung der Geldpolitik.

Eine solche „sanfte Landung“ zu erreichen, sei aber auch im historischen Rückblick ein schwieriges Unterfangen, räumt die BIZ ein. Die heutigen Startbedingungen machten sie sogar zu einer Herausforderung. Die weltweit hohe Verschuldung und die Überbewertung vieler Vermögenswerte erhöhten die Anfälligkeit der Weltwirtschaft.

Warnung vor Stagflation

Die BIZ schreibt, dass „große Gefahren einer Stagflation gegeben“ seien, also einer Gleichzeitigkeit von hoher Inflation und stagnierender Wirtschaft. Zugleich geht die BIZ aber davon aus, dass zumindest eine Wiederholung der Stagflation wie in den 1970er-Jahren unwahrscheinlich sei, da der geldpolitische und auch der makroprudenzielle Rahmen verbessert worden seien. Ferner habe Energie heutzutage ein weniger starkes Gewicht für die Volkswirtschaft.

In einer detaillierten Analyse von Inflationsprozessen kommt die BIZ in ihrem Wirtschaftsbericht zu dem Ergebnis, dass sich in einem Umfeld höherer Inflation Preisveränderungen bei einzelnen Posten, wie Lebensmittel oder Gas, tendenziell eher stärker und nachhaltiger auf die Gesamtinflation auswirkten, als dies der Fall sei, wenn die Inflation niedrig sei. In der Übergangsphase von niedriger zu hoher Inflation verstärke sich der Inflationsdruck tendenziell selbst, da sich einzelne Preisveränderungen stärker auf das Verhalten der Menschen auswirkten.

„Die kurzfristige Herausforderung, eine niedrige Inflation zu gewährleisten, koexistiert mit der längerfristigen Herausforderung, wieder Puffer in der makroökonomischen Politik aufzubauen“, so Claudio Borio, Leiter der Währungs- und Wirtschaftsabteilung der BIZ. „Der Druck auf die Fiskalpolitik steigt. Dies macht die Aufgabe der Geldpolitik komplizierter und verdeutlicht, wie wichtig Reformen sind, um langfristiges Wachstum zu sichern.“ Die BIZ mahnt seit Jahren einen anderen Politik-Mix an, mit weniger Last auf der Fiskal- und Geldpolitik und mehr Fortschritten bei Strukturreformen.

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