EZB

Bundesbankchef Nagel macht Druck

Die EZB steuert auf eine weitere wegweisende Sitzung Mitte Dezember zu – und die Debatte unter den Euro-Hütern nimmt immer mehr Fahrt auf. Bundesbankchef Joachim Nagel untermauert jetzt sein Plädoyer für entschlossenes Handeln.

Bundesbankchef Nagel macht Druck

ms Frankfurt

Der bevorstehende Beginn des EZB-Bilanzabbaus ändert nach Ansicht von Bundesbankpräsident Joachim Nagel nichts daran, dass weitere kräftige Zinserhöhungen nötig sind. Bilanzabbau und Zinsanhebungen seien „komplementär“, also eine Ergänzung, sagte Nagel am Montagabend beim Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (ICFW). Nagel erwartet den Beginn des Bilanzabbaus im ersten Quartal 2023. Zudem warnte er davor, dass die Inflation im Euroraum den Höhepunkt noch nicht erreicht habe – weswegen nach wie vor ein entschlossenes Gegensteuern der EZB zwingend sei.

Mit seinen Aussagen stellt sich Nagel gegen Einschätzungen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) bei den Zinserhöhungen weniger aggressiv als zuletzt vorgehen könnte, wenn sie parallel ihre aufgeblähte Bilanz reduziert. Seit Juli hat sie ihre Leitzinsen um 200 Basispunkte erhöht – so aggressiv wie nie zuvor. Zugleich dämpft Nagel zuletzt aufgekommene Hoffnungen, dass bei der Inflation das Schlimmste überstanden sei. Zu dieser Hoffnung hatten einzelne Preisdaten aus dem Euroraum beigetragen. Zudem scheint in den USA der Inflationshöhepunkt überschritten.

Nagel sagte nun, dass ihm bei der Zinssitzung Mitte Dezember ein gemeinsames Verständnis wichtig sei, dass der Bilanzabbau zur geldpolitischen Straffung gehöre. „Und dann gehe ich fest davon aus, dass das zu Beginn des Jahres 2023 im ersten Quartal dann auch losgehen wird.“ Das ändert laut Nagel aber nichts daran, dass weiter deutliche Zinsschritte nötig seien. Eine Reduzierung der Bilanz nehme der EZB keine Arbeit bei den Zinsen ab.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat für Dezember Leitplanken zum Bilanzabbau angekündigt. Die Bilanz ist in den Krisenjahren auf rund 9 Bill. Euro angeschwollen. Allein die Anleihebestände liegen bei rund 5 Bill. Euro. Die US-Notenbank hat mit dem Abbau ihrer Bilanz begonnen. Im Euroraum gilt das als noch schwieriger, weil viele Euro-Staaten stark von den EZB-Anleihekäufen profitieren.

PEPP vorerst außen vor

Beim Bilanzabbau hat Nagel zunächst das ältere Staatsanleihekaufprogramm APP im Blick. Bislang ersetzt die EZB ablaufende Bonds aus diesem Programm noch vollständig. Nagel zufolge könnte nun begonnen werden, auslaufende Bonds nicht mehr vollständig zu ersetzen. „Das bietet sich auch geradezu exemplarisch an, für einen graduellen Abbau der Bilanz.“ Nagel verteidigte, dass das Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP erst einmal außen vor bleibe. Der EZB-Rat habe erklärt, bis 2024 an den PEPP-Reinvestitionen festzuhalten. Mit den flexiblen PEPP-Investitionen will die EZB notfalls auch gegen aus ihrer Sicht übertriebene Renditedifferenzen zwischen den Euro-Staaten vorgehen.

Mit Blick auf die Leitzinsen sagte Nagel, dass sie noch weit entfernt seien von jenem Niveau, das dazu beitragen werde, die Inflation wieder auf das Ziel von 2% zu senken. Im Oktober lag die Teuerung auf dem Rekordniveau von 10,6%. Nagel sagte, dass es noch zu früh sei zu sagen, ob die Leitzinsen Mitte Dezember erneut um 75 Basispunkte wie zuletzt zweimal in Folge oder um weniger angehoben werden sollten. Dazu brauche es die bis dahin anstehenden Daten und auch die neuen EZB-Projektionen, die erstmals auch 2025 einschließen werden. Nagel betonte indes, dass auch 50 Punkte „eine starke Zinserhöhung“ seien.

Er machte in jedem Fall deutlich, dass die Inflationslage weiter be­denklich sei. „Ich würde gerne daran glauben wollen, dass wir hoffentlich bessere Inflationszahlen sehen werden“, sagte Nagel. Belastbare Daten sprächen aber eher dafür, dass sich die Teuerungsrate noch eine Zeit lang auf einem hohen Plateau bewegen werde. Er begrüßte aber den jüngsten Tarifabschluss der IG Metall in Deutschland und zeigte sich auch weniger besorgt als zuletzt andere EZB-Ratsmitglieder über die inflationäre Wirkung der fiskalischen Maßnahmen gegen Energiekrise und Rezession – auch in Deutschland.

Neben Nagel befeuerten auch andere Euro-Notenbanker die Debatte über den weiteren Kurs. So sagte Litauens Zentralbankchef Gediminas Simkus am Dienstag, dass im Dezember 50 Basispunkte das Minimum sein müssten. Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann erklärte, dass er aktuell für erneut 75 Basispunkte sei. Es seien aber die weiteren Daten abzuwarten. Laut dem portugiesischen Notenbankchef Mário Centeno sind dagegen inzwischen die Voraussetzungen für eine langsamere Zinserhöhung gegeben.

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