Maastricht-Defizit

Coronakrise treibt die Schulden hoch

Die Coronakrise hinterlässt weiterhin deutliche Spuren in den deutschen Staatsfinanzen. Das Finanzierungsdefizit des Staates ist im ersten Halbjahr 2021 mit knapp 81 Mrd. Euro das zweithöchste seit der Wiedervereinigung.

Coronakrise treibt die Schulden hoch

wf Berlin

Der deutsche Staat hat sich im Zuge der Coronakrise mit 81 Mrd. Euro im ersten Halbjahr verschuldet. Das geht aus den am Dienstag vorgelegten vorläufigen Defizitzahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) hervor. „Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie belasten die Staatsfinanzen weiterhin stark“, sagte Stefan Hauf, Leiter der Gruppe „Nationaleinkommen, Sektorkonten, Erwerbstätigkeit“. Es ist der zweithöchste Wert in der ersten Jahreshälfte seit 1991. „Ein höheres Defizit gab es nur im ersten Halbjahr 1995, als die Treuhandschulden in den Staatshaushalt übernommen wurden“, stellte Hauf fest. Vor Jahresfrist betrug das Defizit in den ersten sechs Monaten 47,8 Mrd. Euro.

Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP), entspricht dies einer gesamtstaatlichen Defizitquote, also von Bund, Ländern und Gemeinden, von 4,7%. Die Daten werden nach dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) 2010 abgegrenzt. Destatis zufolge lassen sich aus den Ergebnissen für das erste Halbjahr stets nur begrenzt Rückschlüsse auf das Gesamtjahr ziehen. Aktuell werde die Unsicherheit noch durch die Corona-Pandemie verstärkt.

Ökonomen spielten das hohe Defizit herunter. „Es gibt keinen Grund zur Schuldenpanik“, sagte der Wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, laut Reuters. „Die Ausgaben werden sich absehbar wieder normalisieren, bei den Einnahmen hat bereits die Trendwende eingesetzt.“

Relativ gute Lage

Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, verwies auf die relativ gute Finanzlage Deutschlands. Die USA rechneten mit einem Fehlbetrag von 14%, Großbritannien mit 9%. Die Bundesbank geht für 2022 von einem deutlichen Rückgang der deutschen Defizitquote auf rund 1,5% aus. Dafür muss die künftige Bundesregierung aber am aktuellen Kurs weitgehend festhalten. „Bei fortgesetzter Wirtschaftserholung können coronabedingte Ausgaben wie staatliche Überbrückungshilfen an Unternehmen auslaufen“, schrieb die Bundesbank im Monatsbericht. Zudem dürften Steuern und Sozialbeiträge kräftiger fließen. „Die Staatsfinanzen erholen sich insoweit automatisch“, so die Bundesbank.

Das Finanzierungsdefizit des Staates ergibt sich aus dem Saldo von 798,3 Mrd. Euro Einnahmen und 879,2 Mrd. Euro Ausgaben im ersten Halbjahr. Besonders kostspielig waren die Corona-Überbrückungshilfen, Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser, Impfstoffe und Schutzausrüstung sowie Kurzarbeitergeld und Kinderbonus. Viele dieser Ausgaben schulterte der Bund, dessen Defizit sich von 26,9 auf 67,0 Mrd. Euro zur Vorjahresperiode mehr als verdoppelte. Die Sozialversicherungen gingen mit 10,2 Mrd. Euro ins Minus. Bei Ländern und Gemeinden blieb das Defizit mit 3,1 Mrd. Euro und 600 Mill. Euro vergleichsweise gering. Subventionen (+44,4%), Vorleistungen (+6,6%) und monetäre Sozialleistungen (+6,2%) stiegen. Die Zinsausgaben des Staates sanken dagegen weiter um 10,7%. Die Bruttoinvestitionen fielen um 2,7% niedriger aus als im ersten Halbjahr 2020.

Wieder auf dem aufsteigenden Ast sind die Steuereinnahmen – rund die Hälfte der staatlichen Einnahmen. Sie stiegen im ersten Halbjahr um 4,3%. Vor Jahresfrist waren sie um 6,1% eingebrochen. Die Steuereinnahmen blieben laut Destatis noch um 2,1% hinter dem ersten Vorkrisenhalbjahr 2019 zurück. Einkommen- und Vermögensteuern legten in den ersten sechs Monaten 2021 um 4,5% zu, die Produktions- und Importabgaben um 4,0%, die Sozialbeiträge um 3,4%. Der Ausfall des Bundesbankgewinns bescherte dem Staat bei Einnahmen aus Zinsen und bei Ausschüttungen einen herben Dämpfer um 37,9%.

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