Teuerung

Deutsche Inflation hat Zenit überschritten

Die Inflation in Deutschland scheint ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Doch der Rückgang dürfte langwierig werden – und für eine Entwarnung ist es noch viel zu früh.

Deutsche Inflation hat Zenit überschritten

ms Frankfurt

Die Inflation in Deutschland hat wohl endgültig ihren Höhepunkt hinter sich gelassen und steuert auf einen allmählichen Rückgang zu – der allerdings länger dauern könnte als teilweise erhofft. Darauf deutet auch die am Donnerstag veröffentlichte Erstschätzung zur deutschen Inflation im Januar hin. Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) ging die Teuerungsrate gemäß EU-Berechnung (HVPI) von zuvor 9,6% auf 9,2% zurück. In nationaler Rechnung (VPI) steht indes sogar ein leichter Anstieg von 8,6% auf 8,7% zu Buche. Wegen „technischer Probleme“ lieferte Destatis die Daten erst am Donnerstag statt wie geplant am Dienstag vergangener Woche.

Die Inflation in Deutschland hatte in den Jahren 2021 und 2022 deutlich und auch viel stärker als erwartet angezogen und zeitweise das höchste Niveau seit 40 Jahren erreicht. Das hatte die Politik und die Europäische Zentralbank (EZB) unter großen Druck gesetzt, zumal der Trend nicht auf Deutschland beschränkt war. Ende 2022 hatte die Inflation dann aber überraschend deutlich nachgelassen – was Hoffnungen nährte, dass das Schlimmste überstanden sei. Auch deshalb wird verstärkt diskutiert, inwieweit die aktuelle Fiskal- und Geldpolitik noch angemessen ist.

Die neuen Daten nährten nun die Zuversicht, dass der Hochpunkt der Inflation vorbei ist. Im Oktober 2022 hatte die Rate gemäß HVPI 11,6% und gemäß VPI 10,4% erreicht. „Der Inflationsgipfel ist überschritten“, sagte Alexander Krüger, Chefökonom der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. „Die Energiepreise sprechen für weitere und deutliche Rückgänge der Inflationsrate.“ Tatsächlich sind es vor allem die zuletzt deutlich gesunkenen Energiepreise, die für Erleichterung sorgen. Die Diskrepanz zwischen HVPI und VPI erklärt sich mit methodologischen Unterschieden.

Für eine Entwarnung in Sachen Inflation scheint es aber viel zu früh. „Die Inflation ist in der Breite der Wirtschaft angekommen“, sagte am Donnerstag auch Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. „Während der Druck aus den Energiepreisen perspektivisch zurückgehen wird, gewinnen Dienstleistungs- und Industriegüterpreise in diesem Jahr an Bedeutung.“ Die hartnäckige Kerninflation (ohne Energie und Lebensmittel) sei jetzt der bessere Gradmesser für die Entwicklung.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Interpretation der aktuellen Daten schwierig ist, weil Destatis zu Jahresbeginn turnusgemäß Anpassungen am Warenkorb vorgenommen hat. Zudem sind die Preisdaten verzerrt durch die staatlichen Interventionen wie die Gas- und Strompreisbremsen, bei denen auch noch weitgehend unklar ist, wie diese in die Berechnung einfließen. Nicht nur Carsten Brzeski, Global Head of Macro bei der ING, warnt, dass die staatlichen Maßnahmen kurzfristig zwar die Inflation dämpften, mittel- und langfristig aber für weiteren Inflationsdruck sorgen könnten.

Am Mittwoch hatte auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel im Interview der Börsen-Zeitung vor zu viel Euphorie gewarnt. „Es wäre gefährlich zu meinen, dass wir jetzt schon durch sind und das Inflationsproblem erledigt ist“, so Nagel (vgl. BZ vom 8. Februar). Er plädierte deshalb für „weitere signifikante Zinserhöhungen“ der EZB.

Laut einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage des Center for Financial Studies (CFS) gehen mehr als 70% der Fach- und Führungskräfte des Finanzsektors in Deutschland davon aus, dass die Leitzinsen erst Ende des Jahres 2023 oder sogar erst 2024 ihren Höhepunkt erreichen werden. Mehr als 70% glauben zudem, dass der Hauptrefinanzierungssatz von derzeit 3,0% am Ende bei einem Wert von 3,0% bis 4,0% liegen wird. 15% gehen von einem noch höheren Wert aus.

Wertberichtigt Seite 2