Italien

Draghi lehnt höhere Schulden ab

Die italienische Regierung plant zwar weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der hohen Energiepreise, will aber trotz massiven Drucks von Teilen der Regierung sowie der Sozialpartner einen Nachtragshaushalt vorerst vermeiden. Im Bedarfsfall hofft Rom auf Hilfen aus Europa.

Draghi lehnt höhere Schulden ab

bl Mailand

Obwohl Italiens Regierung massiv unter Druck des Industriellenverbands Confindustria, der Gewerkschaften und von Teilen der Regierungsparteien steht, mehr Mittel zur Bekämpfung der hohen Energiepreise bereitzustellen, will Premierminister Mario Draghi vorerst auf einen Nachtragshaushalt mit steigendem Defizit verzichten. Die Regierung hat bereits in den vergangenen Monaten Unternehmen und Haushalten rund 20 Mrd. Euro zur Dämpfung der Energie- und Treibstoffpreise zur Verfügung gestellt. Wegen der infolge des hohen Wachstums im vergangenen Jahr sprudelnden Steuereinnahmen kann Rom weitere 10,5 Mrd. Euro ausgeben, ohne dass das Haushaltsdefizit und die Verschuldung über die Planung hinaus wachsen. Für die Verlängerung diverser Maßnahmen sind zunächst 6 Mrd. Euro vorgesehen.

Sollte die Krise aber länger dauern und tiefgehender sein als erwartet, wovon viele Experten ausgehen, dürfte das nicht ausreichen. Das gilt umso mehr, als ein Auslaufen des Anleihenkaufprogramms der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie vermutlich steigende Zinsen den Druck auf Rom erhöhen. Finanzminister Daniele Franco will jedoch einen Nachtragshaushalt so lange wie möglich vermeiden. Denn der Zinsabstand (Spread) zwischen deutschen und italienischen Zehn-Jahres-Bonds ist zuletzt auf deutlich über 160 Basispunkte gestiegen und könnte bei weiter zunehmenden Schulden in die Höhe schießen. Rom spekuliert im Bedarfsfall auf neue Hilfen aus Europa und probt deshalb seit einigen Monaten einen engen Schulterschluss mit anderen Schuldensündern wie Frankreich, Spanien, Portugal und Griechenland.

Der Industriellenverband Confindustria fordert nun jedoch schnelleres Handeln. Nach Ansicht von Confindustria-Chef Carlo Bonomi wird das Wachstum 2022 nur 1,9% erreichen, deutlich weniger als die von der Regierung prognostizierten 3,1%. Bonomi verlangt Steuerentlastungen für Unternehmen und Haushalte von 16 bis 18 Mrd. Euro und will einen Pakt mit den Gewerkschaften schließen. Er will zu hohe Lohnforderungen zum Ausgleich der hohen Energiepreise und der Inflation verhindern. Viele Unternehmen stünden vor der Schließung. 16% von ihnen hätten ihre Produktion bereits gedrosselt oder geschlossen.

Draghi steht auch politisch unter Druck. Die Regierungsparteien Lega und Forza Italia fordern Änderungen bei der geplanten Reform des Katasterrechts, die Fünf-Sterne-Bewegung lehnt die Erhöhung des Rüstungsbudgets ab, und die Kleinpartei Italia Viva von Ex-Premier Matteo Renzi wehrt sich gegen die Justizreform. In anderen Zeiten wäre das der perfekte Cocktail für eine Regierungskrise, die jetzt niemand will.

Eine kleine Entlastung soll der Abschluss eines Vertrags zur Erhöhung der Gaslieferungen aus Algerien bringen. Dafür reiste Draghi Anfang der Woche selbst nach Algier.