Konjunktur

Energie­erzeugung treibt Produktion

Die deutsche Industrie hat die Produktion im April etwas ausgeweitet – allerdings nicht so kräftig wie erwartet. Zudem sorgte fast ausschließlich die witterungsbedingt höhere Energieerzeugung für das Plus.

Energie­erzeugung treibt Produktion

ba Frankfurt

Die deutsche Industrie hat im April zwar die Produktion ausgeweitet, schafft es aber weiter nicht, die prall gefüllten Auftragsbücher abzuarbeiten. Neben dem Ukraine-Krieg, der für große Unsicherheit sowie rasant steigende Rohstoff- und Energiepreise sorgt, bringt der zuletzt wieder verstärkte Lieferkettenstress Ungemach. An dieser Gemengelage wird sich auch so schnell nichts ändern, so dass Experten ihre Erwartungen an das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal herunterschrauben. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass der Nachcoronaboom bei den Dienstleistern nachlässt und die Kaufkraft der Verbraucher wegen der hohen Inflation zusehends schwindet.

Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) haben Indus­trie, Bau und Energieerzeuger zusammen preis-, saison- und kalenderbereinigt 0,7% mehr hergestellt als im Vormonat. Ökonomen hatten ein Plus von 1,0% erwartet, nachdem der Output im März um revidiert 3,7% gedrosselt worden war. „Die deutsche Industrieproduktion wird derzeit durch den russischen Angriffskrieg gedämpft“, kommentierte das Bundeswirtschaftsministerium.

Zum einen sei Deutschland als exportorientiertes Land überproportional von den Handelssanktionen gegen Russland betroffen. Zum anderen verursachten kriegsbedingte Produktionsausfälle und gestörte Lieferketten Mangel bei wichtigen Vorleistungsgütern. Dieser hat sich zuletzt verstärkt: 77,2% der vom Ifo-In­stitut befragten Unternehmen klagten im Mai über Engpässe und Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen. Zudem sind die Schiffscontainerstaus nun auch in der Nordsee angekommen, wie der jüngste Kiel Trade Indicator zeigt: Knapp 2% der globalen Frachtkapazität stecken vor den Häfen Deutschlands, Hollands und Belgiens fest und können weder be- noch entladen werden.

Etwas verbessert hat sich laut Wirtschaftsministerium die Lage im Kfz-Bereich: Nach dem sehr starken Rückgang im März stieg die Fertigung im April um 6,8% zum Vormonat. Zu Beginn des Kriegs beeinträchtigten fehlende Kabelbäume die Produktion. Den Zahlen des Automobilverbands VDA zufolge hat die Pkw-Produktion im Mai weiter zugelegt – um 25% gegenüber Mai 2021. Allerdings hätten dabei zwei zusätzliche Arbeitstage in diesem Jahr unterstützend gewirkt.

Der gewichtige Maschinenbau hingegen reduzierte seine Produktion im April um 1,0% im Monatsvergleich. Die infolge des Ukraine-Kriegs nochmals deutlich höheren Preise für Strom, Gas und Öl verteuern kurzfristig viele Produktionsprozesse. Im April drosselte der energieintensive Bereich „Glas, Glaswaren, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden“ die Produktion um 3,1%. Metallerzeuger und -bearbeiter holten laut Wirtschaftsministerium Einbußen aus dem Vormonat mit einer Steigerung um 2,3% teilweise auf.

Nachdem schon die Zahlen zum Auftragseingang schwächer als erwartet ausgefallen waren – das Bestellvolumen ging um 2,7% zurück – sprachen Ökonomen von einem enttäuschenden Ergebnis für die Industrie. Zumal das Produktionsplus „nahezu ausschließlich auf eine witterungsbedingt deutlich höhere Energieerzeugung zurückzuführen“ war, wie Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen schrieb. Im Bereich Energie stieg der Output um 16,1%. Die Industrie im engeren Sinne fertigte 0,3% mehr als im März.

Im Baugewerbe wurde die Produktion hingegen erneut gedrosselt, diesmal um 2,1%. Da die Produktion im produzierenden Gewerbe trotz des leichten April-Plus etwa 2% niedriger als im Durchschnitt des ersten Quartals war, rechnet Solveen auch für das gesamte zweite Quartal mit einem deutlichen Rückgang. Dagegen kommentierte LBBW-Analyst Elmar Völker: „Zumindest gibt es vorerst kein Abgleiten in eine steile Abwärtsspirale.“ Das Umfeld für die Industrie bleibe jedoch schwierig. „Sofern die Lage in der Ukraine nicht neuerlich eskaliert, besteht über den Sommer Aussicht auf eine Stabilisierung, die extrem angespannten Lieferketten bleiben jedoch auf absehbare Zeit eine enorme Herausforderung.“

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