WTO-Verfahren

EU-Kommission zerrt China vor Schiedsgerichte

Die EU-Kommission verschärft zwei im Frühjahr eingeleitete Verfahren gegen China vor der Welthandelsorganisation. Es geht um einen Handelsboykott gegen Litauen und um Patentrechte.

EU-Kommission zerrt China vor Schiedsgerichte

rec Frankfurt

Die EU-Kommission wehrt sich mit Anträgen für zwei Schiedsverfahren vor der Welthandelsorganisation (WTO) gegen Handelspraktiken Chinas. In dem einen Fall geht es um Litauen: Peking boykottiert seit einem Jahr weitgehend den Handel mit dem baltischen Land – offenbar in Reaktion auf eine Annäherung Litauens mit Taiwan. In dem anderen Fall geht es darum, dass manche in China tätige europäische Unternehmen ihre Patentrechte nach Auffassung der EU-Kommission nur unzureichend wahrnehmen können.

In beiden Konflikten, die seit dem Frühjahr bei der WTO schwelen, hat es nach Angaben der EU-Kommission bislang kaum Bewegung gegeben. Die im ersten Schritt vorgesehenen Konsultationen mit Peking hätten keine zufriedenstellenden Ergebnisse erbracht, sagte der für Handel zuständige Vizechef der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis. Der EU bleibe „keine Wahl“, als die Verfahren zu verschärfen.

Kurz vor Weihnachten wird sich das zuständige Streitbeilegungsgremium der Welthandelsorganisation nun mit den beiden Fällen beschäftigen. Spätestens Ende Januar würden die sogenannten Panels eingerichtet, falls China dem zunächst widersprechen sollte, hieß es in Brüssel. Die EU-Kommission rechnet damit, dass bis zu Schiedssprüchen in erster Instanz bis zu anderthalb Jahre vergehen werden. Bekommt sie recht, könnte das Gremium die EU zu Gegenmaßnahmen in Form von Strafzöllen ermächtigen.

Litauens Handel mit China ist weitgehend zum Erliegen gekommen, seit die Pekinger Behörden Exporte aus dem baltischen Land mit neuen Vorschriften von einem Tag auf den nächsten quasi verbannt haben. Vorausgegangen war eine Erlaubnis Litauens an die Regierung der von China als abtrünnig betrachteten Insel Taiwan, ein Handelsbüro in der Hauptstadt Vilnius zu eröffnen. Der Boykott gilt deshalb als politische Retourkutsche Pekings. Unter Applaus aus der deutschen Industrie war die EU-Kommission Litauen im Januar zur Seite gesprungen, indem sie ein formelles Verfahren bei der WTO eröffnete.

Litauische Regierung erfreut

Die Regierung in Litauen reagierte erfreut auf die Ankündigung der EU-Kommission­. Außenminister Ga­brielius Landsbergis sagte laut der Deutschen  Presse-Agentur in Vilnius: „Dieser Schritt sendet eine weitere Botschaft an China: Die EU wird den Binnenmarkt verteidigen, und die EU-Mitgliedstaaten stellen sich mit allen Mitteln gegen Chinas politisch motivierten wirtschaftlichen Zwang.“

In dem einen wie dem anderen Fall schadeten die chinesischen Maßnahmen den europäischen Unternehmen in hohem Maße, teilte die EU-Kommission zur Begründung mit. Es liege im wirtschaftlichen und strategischen Interesse der EU, dass Peking die Maßnahmen aufhebt. „Wir hätten es bevorzugt, diese beiden bedeutenden und systemischen Fälle in einem Konsultationsverfahren zu lösen“, sagte Dombrovskis. Darauf habe man viel Zeit verwendet, allerdings vergeblich.

Mobilfunkkonzerne betroffen

Vom zweiten Fall, einem Streit über den Schutz geistigen Eigentums, sind nach früheren Angaben aus der EU-Kommission insbeson­dere Telekommunikationsunternehmen wie Ericsson und Nokia betroffen, die Patente im Zusammenhang mit Mobilfunkstandards wie 5G halten. Patentinhaber, die außerhalb Chinas vor Gericht zögen, würden in China oft mit erheblichen Geldstrafen belegt. Dadurch würden sie unter Druck gesetzt, sich mit Lizenzgebühren unter den marktüblichen Sätzen zufriedenzugeben, erklärte die Brüsseler Behörde Anfang des Jahres. So könnten bei Verstößen gegen das chinesische­ Prozessführungsverbot Geldstrafen in Höhe von 130000 Euro pro Tag verhängt werden. Die Unternehmen könnten deshalb de facto ihre Patentrechte nicht geltend machen. Auch darin sieht die EU-Kommission­ einen Verstoß Chinas gegen WTO-Recht.