Euro-Inflation klettert auf 5 Prozent
ms Frankfurt
Die Inflation im Euroraum hat im Dezember unerwartet noch einmal angezogen und ein neues Rekordniveau von 5,0% erreicht. Das dürfte Sorgen schüren, dass sich die hohe Inflation weiterhin als hartnäckiger erweist als gemeinhin erwartet und dass der für 2022 verbreitet erwartete Rückgang länger braucht und schwächer ausfällt als gedacht. Damit steigt der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), die bislang nur zaghafte Schritte in Richtung Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik unternimmt – zumal andere wie die US-Notenbank Fed entschlossener agieren.
Zweifel an EZB-Kurs wachsen
Wie nahezu weltweit hat die Inflation auch im Euroraum im abgelaufenen Jahr rasant und auch deutlich stärker als gedacht angezogen. Im Dezember 2020 hatte die Teuerungsrate sogar noch unter null bei –0,3% gelegen. Binnen zwölf Monaten ist sie damit um 5,3 Prozentpunkte gestiegen. Verantwortlich dafür sind zwar vor allem auch Basis- und Sondereffekte in Zusammenhang mit der Pandemie. Die EZB sieht den Inflationsanstieg deshalb weiter vor allem als temporär und erwartet 2022 einen deutlichen Rückgang. Die Zweifel daran wachsen aber – auch in der Notenbank.
Für den Dezember 2021 hatten die allermeisten Beobachter nun einen ersten leichten Rückgang der Inflationsrate vom Novemberwert von 4,9% erwartet – auf 4,8% oder sogar 4,7%. Das sollte der Auftakt sein für einen kontinuierlichen Rückgang im Jahresverlauf 2022. Stattdessen gab es aber einen neuerlichen Anstieg. Die 5,0% laut erster Schätzung von Eurostat bedeuten den höchsten Stand seit Einführung des Euro im Jahr 1999 (siehe Grafik) und sogar seit Beginn der Statistik anno 1997.
Stärkster Preistreiber war erneut Energie, auch wenn sie sich mit 26,0% etwas weniger stark verteuerte als im November mit 27,5%. Lebensmittel, Alkohol und Tabak kosteten 3,2% mehr als im Dezember 2020. Industriegüter (ohne Energie) verteuerten sich um 2,9%, Dienstleistungen um 2,4%. Inzwischen liegt aber auch die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel, die als besserer Gradmesser für den zugrundeliegenden Preistrend gilt, oberhalb des Inflationsziels der EZB von 2%. Im Dezember verharrte sie bei 2,6%.
Für den Januar zeichnet sich zwar ein spürbarer Rückgang der Gesamtrate ab. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der inflationstreibende Effekt der zwischenzeitlichen Mehrwertsteuersenkung in Deutschland dann aus der Berechnung herausfällt. Jörg Angelé, Senior Economist beim Assetmanager Bantleon, erwartet für Januar etwa einen Wert von 4,5%. Es wachsen aber die Zweifel, dass es in den Monaten danach so deutlich heruntergeht wie bis vor kurzem gedacht. Tatsächlich dürften absehbar vor allem die stark gestiegenen Gas- und Strompreise für anhaltenden Inflationsdruck sorgen. Zudem setzen sich die weltweiten Lieferengpässe fort, was die Preise treibt.
EZB-Chefvolkswirt Philip Lane räumte am Freitag ein, dass die Inflation hartnäckiger sei als gedacht. Die Teuerungsrate werde in diesem Jahr zwar sinken, aber über dem mittelfristigen EZB-Ziel von 2% verharren, sagte Lane dem irischen TV-Sender RTE. Als Problem bezeichnete Lane die Energiepreise in der gesamten Eurozone. „Die Tatsache, dass die Energiepreise so stark gestiegen sind, ist ein großes Problem“, sagte er. „Wir werden dies im Auge behalten.“
Im Dezember hatten die EZB-Volkswirte ihre Inflationsprognose für 2022 deutlich von zuvor 1,7% auf 3,2% angehoben. Für 2023 und 2024 sagen sie aber mit jeweils 1,8% Werte unterhalb der 2% voraus. Vor dem Hintergrund hatte der EZB-Rat nur eine langsame Drosselung der beispiellosen Anleihekäufe beschlossen und Zinserhöhungen für 2022 ausgeschlossen. Zum Jahreswechsel hatte aber EZB-Ratsmitglied Klaas Knot im Interview der Börsen-Zeitung gesagt, dass die EZB die ultraexpansive Geldpolitik schneller beenden könnte, wenn die Inflation 2022 weiter überraschend hoch ausfallen sollte (vgl. BZ vom 31.12.2021).
Eine ganz entscheidende Rolle spielt da nun auch die Lohnentwicklung – mit Blick auf eine gefährliche Lohn-Preis-Spirale. Bislang ist davon im Euroraum wenig zu sehen. Immer mehr EZB-Granden mahnen aber zur Vorsicht. Die Inflationserwartungen im Euroraum ziehen jedenfalls an.