Beirat redet Klingbeil ins Gewissen

Experten fordern schärfere Schuldenbremse für tragfähige Finanzen

Mit klaren Worten hat der wissenschaftliche Beirat bei Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) in die Debatte über die Reform der Schuldenbremse eingegriffen. Die Ökonomen und Juristen fordern wirksame Fiskalregeln gegen die wachsende Verschuldung und eine echte Überwachung von Bund und Ländern.

Experten fordern schärfere Schuldenbremse für tragfähige Finanzen

Experten fordern schärfere Schuldenbremse

Klingbeil-Beirat in Sorge um Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen – Gutachten verlangt auch bessere Überwachung

Mit klaren Worten hat der wissenschaftliche Beirat bei Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) in die Debatte über die Reform der Schuldenbremse eingegriffen. Die Ökonomen und Juristen fordern wirksame Fiskalregeln gegen die wachsende Verschuldung hierzulande und eine echte Überwachung von Bund und Ländern.

Von Angela Wefers, Berlin

Gegen eine weitere Lockerung der Schuldenbremse stemmt sich der wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium. In seinem neuen 44-seitigen Gutachten bezeichnet er einen solchen Schritt als „problematisch“. Der Aufwuchs staatlicher Verschuldung in Deutschland mache es um so wichtiger, die Neuverschuldung wirksam zu begrenzen, warnen die Experten. Deutschland reiße sonst die EU-Vorgaben und schwenke auf einen Pfad überproportional wachsender Staatsverschuldung ein. „Dies würde die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gefährden und letztlich die Stabilität der
Gemeinschaftswährung beeinträchtigen.“ Vielmehr müsse die Wirksamkeit der Schuldenbremse verbessert werden, fordern die Wissenschaftler.

Der 28-köpfige Beitrat aus bekannten Wissenschaftlern steht unter Leitung des Ökonomen Jörg Rocholl. Er unterstützt durch wissenschaftliche Gutachten und Stellungnahmen zur Finanzpolitik das Ministerium. Der Beirat agiert unabhängig und kann damit kritische Positionen zur Regierungspolitik einnehmen. Die Bundesregierung plant in den nächsten Jahren bis 2029 rund 850 Mrd. Euro neue Schulden im Bundeshaushalt – einschließlich des Sondervermögens für Infrastruktur und den unlimitierten Verteidigungsausgaben. Damit steigt der seit Gründung der Bundesrepublik angesammelte Schuldenstand in nur einer Legislaturperiode um 50%.

Flexibel in Notlagen

Der aktuellen Schuldenbremse bescheinigen die Experten gute Funktionsfähigkeit. Sie habe sich als wirksames Instrument erwiesen, die Staatsschuldenquote zu stabilisieren und zurückzuführen – gerade mit Blick auf mögliche Verstöße gegen den europäischen Stabilitätspakt. Zugleich sei die Schuldenbremse durch die Notlagenregelung ausreichend flexibel. Das habe sich in der Corona-Pandemie und in der jüngsten Energiekrise gezeigt. Ausnahmen für Verteidigungsausgaben können die Experten nachvollziehen, mahnen aber eine Befristung an. Auf Dauer sei Verteidigung eine Kernaufgabe des Staates.

Der Kritik, dass die Schuldenbremse staatliche Investitionen behindere, folgt der Beirat nicht, bestreitet aber auch nicht die Defizite in der staatlichen Infrastruktur. „Die Schuldenbremse soll aber primär der Problematik einer ausufernden Verschuldung begegnen“, konstatiert der Beirat. Mangelnde Nachhaltigkeit der Finanz- und Wirtschaftspolitik müssten aber durch eine Ursachenanalyse und geeignete zusätzliche Instrumente adressiert werden. „Die Schuldenbremse kann (und soll) das nicht leisten.“ Die Experten erinnern an Steuern und öffentliche Ausgaben als weitere Instrumente einer nachhaltigen Finanzpolitik.

Der Beirat widerspricht auch dem Eindruck einer Auszehrung der Staatsfinanzen. Vielmehr habe der Anteil an Staatsausgaben und Transfers deutlich zugenommen. Zwischen 2013 und 2019 lag die Staatsquote noch bei knapp 45% des Bruttoinlandsprodukts. Sie stieg in der Corona-Krise auf mehr als 50%, fiel zuletzt 2024 aber nur auf 49,5% zurück.

Scharfe Kritik üben die Wissenschaftler im Beirat an der mangelnden Überwachung der Schuldenbremse bei der Finanz und Haushaltsplanung. Er spricht von einem „erkennbaren Defizit“ und konstatiert Reformbedarf. Erfasst werden müssten nicht nur die Defizite des Bundeshaushalts und der Sondervermögen, sondern auch die bisher vernachlässigten, aus Deutschland entfallende Anteile von EU-Defiziten.