Geldpolitik

EZB-Granden uneins über Inflationsausblick

Der Inflationsausblick im Euroraum ist extrem unsicher. Führende EZB-Vertreter setzen nun speziell bei den Energiepreisen unterschiedliche Akzente. Was bedeutet das für eine mögliche Zinswende in Euroland?

EZB-Granden uneins über Inflationsausblick

ms Frankfurt

EZB-Chefvolkswirt Philip Lane ist Sorgen entgegengetreten, dass die Inflation im Euroraum mittelfristig über dem EZB-Ziel von 2% verharren könnte – trotz der zuletzt rasant gestiegenen Energiepreise, die er in dem Kontext explizit erwähnte. Lanes Aussagen muten damit wie eine indirekte Antwort auf EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel an, die am Wochenende gesagt hatte, dass wegen des Kampfes gegen den Klimawandel und aufgrund der Energiepreise das Risiko bestehe, dass die Inflation mittelfristig strukturell höher liegen werde als gedacht. Schnabels Aussagen hatten insbesondere in Deutschland für einiges Aufsehen gesorgt.

Das Thema Inflation erhitzt auch zu Jahresbeginn die Gemüter – und das umso mehr, als vergangene Woche bekannt geworden war, dass die Inflation im Euroraum im Dezember auf einen neuen Rekordwert von 5,0% gestiegen ist, statt wie erwartet leicht nachzugeben. Da zugleich der Preisdruck auf den den Verbraucherpreisen vorgelagerten Preisstufen weiterhin sehr hoch ist, wachsen die Sorgen, dass sich die hohe Teuerung doch nicht als rein temporäres Phänomen entpuppt. Deshalb wächst die Kritik an der ultraexpansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) – zumal etwa die US-Notenbank Fed rascher Richtung Zinswende marschiert.

Die EZB-Volkswirte hatten Mitte Dezember ihre Prognosen für die Inflation im laufenden Jahr deutlich von zuvor 1,7% auf 3,2% angehoben. Zugleich erwarten sie aber für 2023 und 2024 jeweils Werte von 1,8% – also unterhalb des Zielwerts. Der EZB-Rat begründet auch damit, dass er allenfalls sehr allmählich aus der ultraexpansiven Geldpolitik aussteigen will. Die Prognosen hatten aber bereits im Dezember im Rat für kontroverse Diskussionen gesorgt. Einige Notenbanker argumentierten, dass die 1,8% die Teuerung unterzeichnen könnten. Der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot hatte zum Jahreswechsel im Interview der Börsen-Zeitung gesagt, dass die EZB die Zinswende be­schleunigen könne, falls die Inflation 2022 weiterhin höher ausfalle als gedacht (vgl. BZ vom 31.12.2021).

EZB-Direktoriumsmitglied Schnabel sagte nun am Wochenende, dass steigende Energiepreise die EZB zu einem Vorgehen gegen die Inflation zwingen könnten. Die Wende zu grünen Energiequellen beinhalte das Risiko einer mittelfristig höheren Inflation, sagte Schnabel in einer Rede. Wenn Energie teurer werde, könne dies die EZB zu einer Abkehr von ihrer bisherigen Geldpolitik veranlassen. Schnabel verwies darauf, dass die EZB-Projektionen unterstellten, dass die Energiepreise – wie von den Futures vorgezeichnet – weder 2023 noch 2024 einen Teuerungsbeitrag leisten würden. „Die Geschichte zeigt, dass ein solches Profil ungewöhnlich ist“, sagte Schnabel.

Dagegen sagte Lane nun am Dienstag in einem Interview der italienischen Tageszeitung „Il Sole 24 Ore“: „Wir sehen kein Verhalten, das darauf hindeutet, dass die Inflation mittelfristig über unserem Ziel bleiben wird.“ Und er fügte hinzu. „Wir wussten, dass wir Ende 2021 eine Konzentration des Preisdrucks haben würden, insbesondere angesichts des starken Anstiegs der Energiepreise. Aber das Narrativ bleibt unverändert.“ In diesem Jahr sei das Aufwärtspotenzial bei den Energiepreisen geringer, ist Lane überzeugt.