Inflation

EZB-Notenbanker warnt wegen Euro-Schwäche

Der Euro hat zum Dollar deutlich an Wert verloren und viele Marktteilnehmer spekulieren, dass er in Kürze auf Parität fallen könnte. Das befeuert die Inflation weiter – und sorgt die EZB.

EZB-Notenbanker warnt wegen Euro-Schwäche

ms Frankfurt

Die aktuelle Euro-Schwäche bereitet der Europäischen Zentralbank (EZB) zunehmend Sorgen – weil sie die rekordhohe Inflation befeuert. Darauf deuten Aussagen des französischen Zentralbankchefs und EZB-Ratsmitglieds Fran­çois Villeroy de Galhau hin. Villeroy de Galhau untermauerte am Montag seine Aussage, dass der Euro-Wechselkurs ein wesentlicher Faktor für die „importierte Inflation“ sei. Seine Aussagen stoßen stets auf großes Interesse, weil er oft Grundstimmungen im EZB-Rat wiedergibt.

Der Euro hat in den vergangenen Monaten zum Dollar deutlich an Wert verloren und viele Marktteilnehmer spekulieren, dass er in Kürze auf Parität fallen könnte. Auf dem Niveau hatte er letztmalig vor knapp 20 Jahren notiert. Ein schwächerer Euro erhöht die Importpreise und treibt damit die Inflationsrate. Die Teuerung im Euroraum ist im April auf das Rekordhoch von 7,5% geklettert. Die EZB steht deshalb zunehmend in der Kritik und steuert nun auf eine schnellere Zinswende zu.

Hintergrund der Euro-Schwäche ist auch der viel vorsichtigere Zinskurs der EZB im Vergleich zur US-Notenbank Fed. Die Fed hat unlängst ihren Leitzins gleich um 50 Basispunkte angehoben und damit so stark wie seit 20 Jahren nicht mehr. Zudem beginnt sie bereits im Juni mit dem Abbau ihrer aufgeblähten No­tenbankbilanz. Die EZB dagegen hält bislang an ihren Null- und Negativzinsen fest und ist weit davon entfernt, ihre Bilanz zu schrumpfen. Die Aussagen Villeroy de Galhaus deuten nun darauf hin, dass die EZB auch mit Blick auf den Euro ihren Kurs schneller straffen könnte.

„Ich möchte betonen, dass wir die Entwicklung des effektiven Wechselkurses, der ein wichtiger Faktor für die importierte Inflation ist, sorgfältig beobachten werden“, sagte Villeroy in Paris. „Ein zu schwacher Euro würde unserem Ziel der Preisstabilität zuwiderlaufen.“ Villeroy de Galhau hatte sich bereits Anfang Mai mahnend zur Euro-Schwäche geäußert (vgl. BZ vom 7.Mai). Grundsätzlich halten sich EZB-Granden mit Aussagen zum Wechselkurs eher zurück.

Villeroy de Galhau äußerte sich auch zum Zeitpunkt einer ersten Zinserhöhung seit 2011, nachdem sich viele Notenbanker für einen ersten Schritt im Juli ausgesprochen hatten. „Ich werde mich mit meiner präzisen Vorhersage nicht in die vielen bereits bestehenden einreihen, aber ich erwarte eine entscheidende Juni-Sitzung und einen aktiven Sommer.“ Die EZB solle sich „zumindest in Richtung des neutralen Zinssatzes bewegen“. Diesen Satz haben zuletzt viele bei rund 1,5% verortet. Laut Villeroy de Galhau zeichnet sich zunehmend ein Konsens im Rat ab. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte vergangene Woche vor einer zunehmend breiten Inflation gewarnt.

Neue Daten aus Deutschland

Am Montag bestätigten neue Daten aus Deutschland die Aussicht eines noch länger anhaltenden Preisdrucks. Die Preise im deutschen Großhandel legten im April zum Vorjahresmonat um 23,8% und damit erneut mit Rekordtempo zu, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Der Großhandel ist eine von mehreren Wirtschaftsstufen, die den Verbraucherpreisen vorgelagert ist.

Unterdessen berichtete die Bundesbank am Montag, dass die Inflationserwartungen privater Haushalte in Deutschland weiter gestiegen sind. Demnach liegt die erwartete Inflation für die nächsten zwölf Monate nun bei 6,9% – nach zuvor 5,8%. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Erhebung im Jahr 2019. Die im Durchschnitt der nächsten fünf Jahre erwartete Inflationsrate lag mit 5,2% erstmals seit Erhebungsbeginn bei mehr als 5%.

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