EZB-Personalratschef schießt gegen Führungsetage
EZB-Personalratschef schießt gegen Führungsetage
„Es gibt Druck, Studienergebnisse anzupassen“ – Notenbank dementiert vehement
mpi Frankfurt
Der Personalratsvorsitzende der EZB, Carlos Bowles, zieht im Gespräch mit der Börsen-Zeitung die Integrität der wissenschaftlichen Arbeit der Notenbank in Zweifel. Mitarbeiter würden Karrierenachteile oder gar das Auslaufen ihres Arbeitsvertrages riskieren, wenn sie Studienergebnisse präsentieren, die Vorgesetzten nicht gefallen. „Ob sie ihren Job behalten, hat nichts mit messbaren Leistungen zu tun. Es hängt nur damit zusammen, ob ihr Vorgesetzter sie behalten möchte oder nicht“, sagt Bowles. „Es gibt daher Druck, Studienergebnisse anzupassen und Probleme nicht anzusprechen.“ Dies habe auch dazu beigetragen, dass die EZB zu spät auf den Inflationsanstieg ab 2021 reagiert habe.

Die EZB streitet die Vorwürfe auf Nachfrage der Börsen-Zeitung vehement ab. „Es ist bedauerlich, dass Herr Bowles solche Behauptungen über die Arbeit seiner Kollegen aufstellt“, sagt eine Sprecherin der Notenbank. „Er hat uns keine Beweise für ein solches Verhalten vorgelegt. Die Analyse der EZB-Mitarbeiter entspricht den höchsten Anforderungen an wissenschaftliche Strenge, Unabhängigkeit und Objektivität. Sie liefert durchweg hochwertige Erkenntnisse, die unsere Verpflichtung, die Inflation bei 2% zu halten, untermauern.“
Problem der Vetternwirtschaft
Bowles wiederum berichtet der Börsen-Zeitung exemplarisch von einem Fall, in dem ein Mitarbeiter der EZB-Bankenaufsicht die Veröffentlichung einer Studie zurückgezogen habe, da die Ergebnisse nicht im Sinne des Vorgesetzten gewesen seien. Da Bowles zum Schutz der Persönlichkeitsrechte keine Namen nennt, lässt sich das nicht verifizieren.
Eine Umfrage der Gewerkschaft Ipso zeigt zumindest, dass Vetternwirtschaft von der Belegschaft der Notenbank als großes Problem wahrgenommen wird. So gaben 77% der Befragten an, dass vor allem diejenigen befördert würden, die ein gutes Verhältnis zu den „richtigen“ Leuten hätten. Nur 34% sagen, dass es vor allem auf die eigene Leistung ankomme. Insgesamt haben sich 1.425 der rund 5.000 Mitarbeiter an dieser Umfrage beteiligt.
Im Vergleich zu 2015 ist der Missmut der Belegschaft gestiegen. Damals hatten 39% der Aussage widersprochen, dass die EZB einen guten Job mache, die kompetentesten Mitarbeiter zu befördern. Inzwischen sind es 72%. Die Mehrheit hat außerdem kein oder wenig Vertrauen in die Arbeit des EZB-Direktoriums (51,9%). Für Präsidentin Christine Lagarde liegt dieser Wert sogar bei 57,1%.
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