Geldpolitik

EZB-Protokoll befeuert Zins­spekulationen

Angesichts der Rekordinflation hat die EZB im September ihre Leitzinsen gleich um 75 Basispunkte angehoben – so stark wie nie. Beobachter spekulieren nun auf eine Wiederholung Ende Oktober. Das jüngste EZB-Protokoll nährt solche Erwartungen.

EZB-Protokoll befeuert Zins­spekulationen

ms Frankfurt

Das am Donnerstag veröffentlichte Protokoll der EZB-Zinssitzung von September hat Spekulationen genährt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) der Rekord-Zinserhöhung um 75 Basispunkte vom September bei der nächsten Sitzung Ende Oktober eine Anhebung um erneut 75 Basispunkte folgen lassen könnte. Hintergrund ist insbesondere, dass das Protokoll die große Sorge der Euro-Hüter wegen der unerwartet hartnäckigen Inflation und die Bereitschaft zum entschlossenen Gegensteuern untermauert.

Nach langem Zögern hatte die EZB im Juli mit einer Anhebung um 50 Basispunkte die Zinswende eingeleitet und im September mit 75 Punkten nachgelegt – ein Rekordschritt. Die Inflation lag zu dem Zeitpunkt bei 9,1%. Im September hat sie nun erneut alle Erwartungen übertroffen und erstmals die 10-Prozent-Marke geknackt. Zugleich wächst aber die Rezessionsgefahr, nicht zuletzt wegen des Ukraine-Kriegs und der dadurch ausgelösten Energiekrise.

Die EZB hat grundsätzlich weitere Zinsschritte avisiert. Tempo und Umfang sind aber unklar und im EZB-Rat teils umstritten. Zuletzt hatten sich die Stimmen für eine weitere kräftige Zinsanhebung um 75 Basispunkte Ende Oktober gemehrt (vgl. u. a. BZ vom 29. und 30. September). Die Befürworter befürchten vor al­lem eine Entankerung der Inflationserwartungen und eine Lohn-Preis-Spirale. Einige Notenbanker warnen aber wegen der Konjunkturschwäche vor einem zu aggressiven Zinskurs.

Das jetzt veröffentlichte Protokoll belegt, dass im September zwar einige Notenbanker zunächst eine Zinserhöhung nur um 50 Basispunkte favorisiert hätten. Letztlich unterstützten sie aber doch die Erhöhung um 75 Basispunkte. Grundlage dafür war der „breite“ Konsens darüber, dass die Zinsen immer noch akkommodierend seien, also die Konjunktur unterstützen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat unlängst gesagt, dass es jetzt das Minimum sei, die EZB-Leitzinsen auf ein neutrales Niveau anzuheben. Wo die EZB dieses Niveau genau verortet, lässt sie aber bewusst offen.

„Die Inflation war viel zu hoch und wird wahrscheinlich für längere Zeit über dem Ziel des EZB-Rats bleiben“, erklärten die Euro-Wächter. Sie argumentieren zugleich, dass ohne eine zeitnahe Verringerung des geldpolitischen Impulses die Abwertung des Euro den Inflationsdruck noch weiter verstärken könnte. Wachstumssorgen sollten keine notwendige kraftvolle Erhöhung der Zinsen verhindern. Wenn jetzt kraftvoll gehandelt werde, könne man größere Zinsschritte im weiteren Konjunkturverlauf bei lahmender Wirtschaft vermeiden, heißt es in dem Protokoll.

„Ausgehend von der Fortsetzung des datenabhängigen Ansatzes und einer Rekordinflationsrate im September rechnen wir mit einer weiteren Anhebung um 75 Basispunkte im Oktober“, kommentierten die Experten von Morgan Stanley um Chefvolkswirt Jens Eisenschmidt. Die Commerzbank erwartet sogar für die Sitzungen im Oktober und Dezember Zinsanhebungen um jeweils 75 Basispunkte. Der einflussreiche französische Notenbankchef François Villeroy de Galhau hatte diese Woche gesagt, dass jetzt rasche Zinserhöhungen nötig seien und das Tempo dann 2023 gedrosselt werden könnte (vgl. BZ vom 4. Oktober).

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.