Geldpolitik

EZB-Zinsfahrplan nimmt Gestalt an

Im Rat der Europäischen Zentralbank mehren sich die Stimmen für eine erste Zinserhöhung bereits im Juli. An den Geldmärkten laufen die Wetten bereits heiß – auch auf weitere Schritte in diesem Jahr.

EZB-Zinsfahrplan nimmt Gestalt an

rec Frankfurt

Unter den Euro-Währungshütern mehren sich die Stimmen für eine erste Zinserhöhung bereits im Juli. Nach Bundesbankchef Joachim Nagel und seinem lettischen Kollegen Martin Kazaks brachten dies auch EZB-Vize Luis de Guindos und Belgiens Notenbankchef Pierre Wunsch ins Spiel. Angesichts dessen preisen die Geldmärkte inzwischen mehrere Leitzinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) bis Jahresende ein.

Hintergrund ist wachsendes Unbehagen über die Inflationsentwicklung. Die Inflation im Euroraum ist im März auf 7,4% gestiegen. Das Statistikamt Eurostat hat seine Erstschätzung minimal nach unten revidiert. Zudem ziehen die langfristigen Inflationserwartungen im Euroraum merklich an. Ein viel beachtetes Barometer, der sogenannte Five-Year Five-Year Forward, ist auf knapp 2,5% gestiegen. Es ist der höchste Stand seit mehr als zehn Jahren und deutlich mehr als das mittelfristige EZB-Inflationsziel von glatt 2%.

Wirtschaftsweise warnt

Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer zeigt sich beunruhigt. Die Inflation habe sich bereits festgesetzt. Steigende Energiepreise, teurere Importe und die notwendige Reduzierung der Abhängigkeit von einzelnen Märkten führten querbeet zu höheren Kosten, sagte Schnitzer auf dem Ludwig-Erhard-Forum. Auf belastete Unternehmen könnten hohe Lohnforderungen zukommen. „Wenn jeder davon ausgeht, die Inflation wird immer schlimmer, ist die Wirtschaft massiv verunsichert“, sagte Schnitzer: „An der Stelle ist schon die EZB gefragt.“

EZB-Vize de Guindos hat die Bedeutung anstehender Lohnrunden betont. In einem Bloomberg-Interview wies der Spanier nun darauf hin, dass die Inflation im zweiten Halbjahr zwar sinken dürfte. „Aber selbst dann wird sie im Schlussquartal über 4% liegen.“ Zum Zins-Fahrplan sagte de Guindos: „Aus heutiger Sicht ist Juli möglich, und September oder später ist auch möglich. Wir schauen uns die Daten an und erst dann entscheiden wir.“ Der nächste EZB-Zinsentscheid ist am 9. Juni.

Am Mittwoch hatte Bundesbankchef Nagel gesagt, Anfang des dritten Quartals könne mit einer Zinsanhebung gerechnet werden. Voraussetzung ist, dass der EZB-Rat zuvor die Nettoanleihekäufe beendet. De Guindos sagte: „Meiner Meinung nach sollte das Programm im Juli enden.“ Er gilt als Vertreter einer eher lockeren Geldpolitik – anders als Nagel und der Belgier Wunsch.

Wunsch legte in einem Bloomberg-Interview nahe, die EZB könnte den Negativzins für Banken noch dieses Jahr beenden, sofern ein schwerer Konjunkturschock ausbleibt, und sie könnte sogar zu einer „restriktiven” Geldpolitik übergehen müssen, um die steigenden Preise unter Kontrolle zu bringen. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs sagte Wunsch: „Wenn es keine wirklich schlechten Nachrichten von dieser Front gibt, wäre eine Anhebung bis zum Ende des Jahres auf null oder auf leicht positive Werte für mich eine Selbstverständlichkeit.“ Das liefe auf mindestens zwei Zinserhöhungen hinaus: Der für Banken zentrale Einlagensatz liegt bei −0,5%.

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