Fiskalpolitik setzt Spielraum der EZB unter Druck
Fiskalpolitik setzt Spielraum der EZB unter Druck
Spielraum der EZB gerät unter Druck
Ökonomen befürchten wegen hoher Staatsverschuldung fiskalische Dominanz der Geldpolitik
mpi Frankfurt
Durch den drohenden Verlust der politischen Unabhängigkeit der Fed besteht die Sorge, die Notenbank könnte künftig eine lockerere Geldpolitik umsetzen, als eigentlich anhand des Mandats der Preisstabilität gerechtfertigt ist. Die Lage der Währungshüter der Eurozone ist zwar eine gänzlich andere, und doch besteht auch bei der EZB die Gefahr, dass sich der politische Einfluss auf die Geldpolitik ausweitet.
„Angesichts der vielerorts angespannten Staatsfinanzen droht eine fiskalische Dominanz der Geldpolitik“, sagt Jörn Quitzau, Chefökonom der Privatbank Bergos. Mit fiskalischer Dominanz ist eine Situation gemeint, in der die Haushaltslage eine Zentralbank dazu bringt, mit einer lockeren Geldpolitik die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung sicherzustellen. „Dafür wäre kein politischer Druck auf die Zentralbanken nötig, wie es derzeit in den USA der Fall ist“, sagt Quitzau. Die EZB könnte sich quasi freiwillig dazu entscheiden, um eine Schulden- und Finanzkrise zu vermeiden.
Brisante Lage Frankreichs
Auch das ZEW in Mannheim befürchtet eine fiskalische Dominanz. Um dies genauer zu beleuchten, arbeitet es derzeit an einem EZB-Transparenz-Monitor. Dieser soll wissenschaftlich untersuchen, welchen Einfluss die Fiskalpolitik im Euroraum auf die Geldpolitik der EZB nimmt. Denn es bestehe die Gefahr, dass „fiskalisch motivierte Rücksichtnahmen auf hohe Staatsschulden zunehmend Einfluss auf geldpolitische Entscheidung ausüben und damit dem prioritären Ziel der EZB zuwider laufen könnten“.
Durch die schwierige Haushaltslage in Frankreich hat das Risiko einer fiskalischen Dominanz zugenommen. „Es ist höchst bedenklich, in welchen politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone steckt“, sagt Daniel Hartmann, Chefökonom des Vermögensverwalters Bantleon. Eine Konsolidierung der Fiskalpolitik vor den Präsidentschaftswahlen 2027 sei wenig wahrscheinlich. Sollte die Staatsverschuldung Frankreichs in Relation zur Wirtschaftsleistung weiter steigen, erwartet Hartmann erneute Herabstufungen der Bonität durch die Ratingagenturen. Die Folge wären höhere Zinsausgaben für Frankreich.
Drohendes Dilemma
„Die EZB steht perspektivisch vor einem Dilemma“, sagt Jonas Feldhusen, Ökonom bei der Hamburg Commercial Bank (HCOB). „Einerseits ist sie verpflichtet, die Preisstabilität zu sichern und darf keine direkte Staatsfinanzierung betreiben. Andererseits könnte sie über gezielte Anleihekäufe im Rahmen des Transmission Protection Instruments (TPI) eingreifen, sollten sich die Spreads weiter erhöhen.“
Bereits im Sommer nach dem Anstieg der Spreads 10-jähriger französischer Staatsanleihen auf 70 bis 80 Basispunkte im Vergleich zu Bundesanleihen hatte es am Finanzmarkt Rufe nach einem Einsatz von TPI gegeben. Die EZB wiederum hatte betont, dass sie keine Anzeichen für ungerechtfertigte und ungeordnete Marktentwicklungen sieht, die die geldpolitische Transmission beeinträchtigen. Diese sind Voraussetzung für den Einsatz von TPI. Feldhusen kann sich jedoch vorstellen, dass die EZB bei einem Anstieg der Spreads auf 120 Basispunkte zum Handeln gezwungen sein könnte. Auch Hartmann nennt diese Marke.
EZB-Direktorin Isabel Schnabel sieht in TPI dagegen kein Instrument der fiskalischen Dominanz. Sie verweist darauf, dass das bisher noch nie eingesetzte Programm zur Wahrung der Preisstabilität gedacht ist und nicht zur Staatenfinanzierung. „Insofern ist das TPI Ausdruck monetärer und nicht fiskalischer Dominanz“, sagte sie bei einer Rede im vergangenen Jahr.
Neue Strategie der EZB als Risiko
Marcel Fratzscher, Präsident des DIW, sieht noch ein anderes Einfallstor für eine mögliche fiskalische Dominanz. Gemäß ihrer im Sommer überarbeiteten geldpolitischen Strategie toleriert die EZB nun vorübergehende Abweichungen vom Inflationsziel stärker als früher. Mit größerem Ermessensspielraum der EZB steige auch die Wahrscheinlichkeit, dass Regierungen versuchen, Einfluss zu nehmen, meint Fratzscher.
Ein Beispiel dafür gab es jüngst in Italien. Dort forderte der stellvertretende Ministerpräsident Antonio Tajani am Freitag eine Zinssenkung der EZB. Diese soll den Wechselkurs des Euro schwächen und so der Exportwirtschaft helfen.
