Hohe Hürden für weitere Zinssenkung der EZB
Hohe Hürden für weitere Lockerung der EZB
Zinskompass spricht für unveränderte Geldpolitik im Euroraum – Anstieg der Inflationsprognose wahrscheinlich – Weiterhin schwaches Wirtschaftswachstum
Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wird die EZB am Donnerstag ihre Zinspause abermals verlängern, sich die Option einer künftigen Lockerung jedoch offen halten. Die Hürde für eine solche Zinssenkung ist allerdings hoch. Das signalisiert auch der EZB-Deka-Zinskompass, der exklusiv in der Börsen-Zeitung erscheint.
mpi Frankfurt
Am Donnerstag richten sich die Augen der Anleger wieder auf die EZB. Spannender als die Frage, wie der Zinsentscheid ausgehen wird, ist, welche Signale die Notenbank bezüglich einer möglichen weiteren Lockerung bis zum Jahresende sendet. „Eine Wachstumsverlangsamung in dem von den makroökonomischen Projektionen vorgezeichneten Ausmaß und ein leicht dämpfender Effekt der Euro-Aufwertung auf die Inflation dürften den meisten Ratsmitgliedern für eine weitere Zinssenkung nicht genügen“, sagt Kristian Tödtmann, Leiter Geldpolitik und Kapitalmärkte bei der DekaBank.
Der EZB-Deka-Zinskompass, der vor einer geldpolitischen Sitzung der Notenbank in der Börsen-Zeitung erscheint, unterstützt diese abwartende Haltung vieler Ratsmitglieder. Im August setzte der Kompass seinen Seitwärtstrend leicht oberhalb der Nulllinie fort. Er signalisiert damit anhand der einfließenden ökonomischen Daten, dass derzeit keine Anpassung der Geldpolitik nötig sei.

Zölle belasten Euro-Wirtschaft
Ein Argument für eine weitere Zinssenkung könnte die US-Handelspolitik sein. Die von Präsident Donald Trump verhängten Zöllen reduzieren die wirtschaftliche Aktivität im Euroraum und senken so den Inflationsdruck. Einen akuten Handlungsbedarf für die EZB macht Tödtmann nicht aus. „Insgesamt ändert das Handelsabkommen den wirtschaftlichen Ausblick nach Einschätzung einiger Ratsmitglieder nicht wesentlich.“
EZB-Präsidentin Christine Lagarde sowie weitere Ratsmitglieder hatten klargestellt, dass die Notenbank nicht auf vorübergehende Abweichungen vom Inflationsziel reagieren werden. „Das bedeutet, eventuelle neue Schocks müssten tatsächlich das Potenzial besitzen, den mittelfristigen Inflationsausblick zu beeinflussen, um eine Reaktion der EZB zu rechtfertigen“, sagt Tödtmann.
Mittelfristiger Ausblick im Fokus
Die jüngsten Entwicklungen in der US-Handelspolitik hätten dieses Potenzial wohl nicht. Der Volkswirt erwartet, dass die EZB am Donnerstag ihre Projektion für die Inflation sogar leicht anhebt. Die temporäre Unterschreitung des Inflationsziels von 2% dürfte seiner Einschätzung nach geringer ausfallen. Die Inflationssäule des Zinskompasses befindet sich zudem weiterhin auf einem leicht erhöhten Niveau. Ein Grund hierfür ist die Kernrate, die im August den vierten Monat in Folge bei 2,3% lag. Die aktualisierte Projektion der EZB für das BIP dürfte nach Einschätzung von Tödtmann weiterhin nur ein schwaches wirtschaftliches Wachstum in der Eurozone signalisieren.
Da die Unsicherheit beim Inflationsausblick hoch ist, erwartet Tödtmann, dass sich die EZB mit ihrer Kommunikation am Donnerstag eine Hintertür für eine weitere Lockerung bis zum Jahresende offen lässt.
Uneinigkeit im EZB-Rat
Die Unsicherheit entsteht nicht nur durch die erratische Politik des US-Präsidenten, der wegen des Digital Service Acts der EU wieder mit neuen Zöllen droht. Sie liegt auch darin begründet, dass sich Ökonomen uneins sind über die Effekte der Zölle auf die Euro-Inflation. Dieser Dissens spiegelt sich auch innerhalb des EZB-Rates wider.
So sagte etwa der finnische Notenbankpräsident und EZB-Rat Olli Rehn im Interview der Börsen-Zeitung, dass die Zölle eindeutig disinflationär wirken. „Die inflationären Auswirkungen für die Eurozone sind unerheblich.“ Er begründet dies unter anderem damit, dass es keine Gegenzölle der EU gibt. Gänzlich anders stuft EZB-Direktorin Isabel Schnabel die Lage ein. „Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass Zölle insgesamt inflationär wirken“, sagte sie Reuters. So könnte der globale Handelskrieg der USA zu höheren Inputpreisen für europäische Unternehmen führen.
Wenig überraschend signalisieren Schnabel und Rehn angesichts ihrer unterschiedlichen Einschätzung zu den ökonomischen Effekten der Zölle auch einen unterschiedlich großen Spielraum für eine Zinssenkung der EZB bis Jahresende. Die Deutsche sieht hohe Hürden, der Finne ist offener für eine Lockerung bis zum Dezember.