Konjunktur

Ifo-Index fällt zum vierten Mal in Folge

Die deutsche Wirtschaft schwächelt – stärker als Ökonomen erwartet haben. Der Ifo-Geschäftsklimaindex fällt im Oktober erneut. Kritisch: Manager bewerten vor allem die Aussichten skeptischer und die Kapazitätsauslastung sinkt.

Ifo-Index fällt zum vierten Mal in Folge

Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Unternehmen hat sich im Oktober zum vierten Mal in Folge verschlechtert. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank auf 97,7 Punkte von 98,9 Zählern im September, wie das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut am Montag zu seiner Umfrage unter 9000 Führungskräften mitteilte. Von Reuters befragte Fachleute hatten mit einem nicht so starken Rückgang gerechnet.

„Lieferprobleme machen den Firmen zu schaffen“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Kapazitätsauslastung in der Industrie sinke. „Sand im Getriebe der deutschen Wirtschaft hemmt die Erholung.“ Die Managerinnen und Manager beurteilten ihre Lage und die Geschäftsaussichten für die kommenden sechs Monate skeptischer als zuletzt. „Insbesondere die Erwartungen sind immer mehr von Skepsis geprägt“, betonte der Ifo-Chef. Die Stimmung trübte sich erneut in der Industrie ein.

Preissprünge erwartet

Ifo-Konjunkturchef Klaus Wohlrabe erwartet in diesem Zusammenhang auch größere Preissprünge. Besonders deutlich werde das in der Autobranche, der etwa Halbleiter fehlen. Hier sei die Kapazitätsauslastung von zuletzt 85,2 auf aktuell nur noch 78,2%, sagte er. Viele Unternehmen wollten nun ihre Preise anheben. In der Industrie etwa wolle rund jedes zweite Unternehmen an der Preisschraube drehen. „Das ist ein Rekordwert”, sagte Wohlrabe. Auch mehr als jeder zweite Einzelhändler strebe Preiserhöhungen an.

Sorge vor Stagflation

Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer sieht den vierten Rückgang des Ifo-Index als Warnsignal. „Die Unternehmen ahnen, dass die Politiker auf die stark ansteigenden Corona-Infektionen mit neuen Beschränkungen reagieren werden.“ Zudem führe die neue Corona-Welle vor allem in Asien zu Fabrikschließungen, was den Materialmangel hierzulande verschärfen werde. „Die deutsche Wirtschaft dürfte im vierten Quartal kaum noch wachsen“, betonte Krämer. Zumindest für Ende 2021 zeichne sich eine „Stagflation“ ab – also eine Mischung aus stagnierender Konjunktur und steigender Inflation.

Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe sagte im Reuters-Interview, die deutsche Wirtschaft dürfte im laufenden Herbstquartal wohl nur noch um rund 0,5% wachsen. LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch sieht die Ifo-Daten auch als Wink an die angehenden Ampel-Koalitionäre in Berlin: „Zusätzliche Belastungen für die Wirtschaft sind tunlichst zu vermeiden.“

Bau weiter optimistisch

Im Dienstleistungssektor verschlechterte sich das Geschäftsklima nach der Erholung im Vormonat wieder. Die Unternehmen blickten deutlich weniger optimistisch auf die kommenden Monate, bewerteten ihre aktuelle Lage jedoch etwas besser. Im Handel sank der Ifo-Index deutlich. „Auch hier belasten Lieferengpässe die Stimmung“, erläuterte Fuest.

Am Bau hingegen hellte sich die gesamte Stimmung erneut auf, da die Betriebe ihre aktuelle Lage etwas besser bewerteten. „Zudem konnte der Erwartungsindex zum sechsten Mal in Folge zulegen.“

Argumente für die EZB

Helaba-Volkswirt Ralf Umlauf lenkt den Blick auf die argumentative Gemengegelage für die Europäische Zentralbank (EZB). „Der Zenit der Konjunkturstimmung ist zunächst überschritten.“ Daraus ergebe sich die Perspektive einer verringerten konjunkturellen Dynamik. Noch liege der Ifo-Geschäftsklimaindex etwa auf dem Niveau des langfristigen Durchschnitts. Von einer wirtschaftlichen Kontraktion künde der Ifo-Index daher nicht, zumal die Einkaufsmanagerindizes weiterhin im Wachstumsbereich liegen würden. Die EZB dürfte sich aber „in ihrer Absicht bestätigt sehen, den geldpolitischen Stimulus noch aufrecht zu erhalten und mit dem möglichen Ende des PEPPs einen friktionslosen Übergang zu gewährleisten.”

Corona-Delle

Die deutsche Wirtschaft war wegen der Corona-Krise Anfang des Jahres um 2% geschrumpft, dann aber im Zuge der Lockdown-Lockerungen im Frühjahr wieder um 1,6% gewachsen.

Trotz Lieferengpässen bei wichtigen Vorprodukten gehen viele Ökonomen davon aus, dass sich das Wachstum im abgelaufenen Sommer-Quartal beschleunigt haben dürfte. Das Kieler IfW-Institut etwa erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,2% zum Vorquartal zulegte. Wegen der globalen Materialknappheit und steigender Corona-Infektionen dürfte die Konjunktur im laufenden Schlussquartal allerdings wieder Schwung verlieren. Dies signalisierten jüngst auch die Umfragen bei Industrie und Dienstleistern zum Einkaufsmanagerindex.

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