Konjunktur

Industrie sitzt auf rekordhohem Auftragsbestand

Die Auftragsbücher der deutschen Industrie sind so gut gefüllt wie seit mindestens sechs Jahren nicht mehr. Wegen der Lieferengpässe dauert es aber immer länger, die Bestellungen auszuführen. Ökonomen senken daher bereits ihre Wachstumsprognosen.

Industrie sitzt auf rekordhohem Auftragsbestand

ba Frankfurt

Die deutschen Industrieunternehmen sitzen auf so dick gefüllten Auftragsbüchern wie noch nie. Wegen der anhaltenden Lieferengpässe kommen sie allerdings mit der Produktion weiter nicht hinterher. Da sich daran anders als zunächst erhofft auch so schnell nichts ändern wird, schrauben Ökonomen und Institute ihre Prognosen peu à peu nach unten.

Laut Daten des Statistischen Bundesamts (Detstais) hat der preis-, saison- und kalenderbereinigte Auftragsbestand im Juli um 2,4% im Monatsvergleich zugelegt (siehe Grafik). Er sei „damit seit Juli 2020 stetig gestiegen und erreichte im Juli 2021 seinen höchsten Stand seit Einführung der Statistik im Januar 2015“, teilten die Wiesbadener Statistiker am Freitag mit. Die Auftragseingänge hätten sich in den vergangenen Monaten stärker als die Umsätze entwickelt. Dabei erhöhten sich die offenen Bestellungen aus dem Inland um 2,7% und die offenen Aufträge aus dem Ausland um 2,2%. Im Vergleich zum Februar 2020 – dem letzten von der Coronakrise unbelasteten Monat – war der Auftragsbestand kalender- und saisonbereinigt 19,8% höher.

Da die Betriebe wegen der Lieferengpässe die Aufträge gar nicht so schnell abarbeiten können, wie sie hereinkommen, hat sich auch die Reichweite erhöht. Destatis vermeldet hier mit 7,2 Monaten im Juli nach 7,0 Monaten im Juni ebenfalls den höchsten Stand seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2015. So lange müssten Unternehmen bei gleichbleibendem Umsatz und ohne Neuaufträge theoretisch produzieren, um die vorhandenen Aufträge abzuarbeiten.

Derweil nehmen die Klagen in der Industrie über Engpässe und Probleme bei Vorprodukten und Rohstoffen weiter zu – laut dem Ifo-Institut zeigten sich im August 69,2% der Industriefirmen betroffen, dies ist ein Rekord nach 63,8% im Juli. „Die Beschaffungskrise stellt eine reale Gefahr für den Aufschwung dar“, warnte denn auch Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Wie hoch diese Gefahr eingeschätzt wird, zeigt sich auch an den zuletzt nach unten revidierten Prognosen. Das DIW etwa erwartet für das laufende Jahr nur mehr ein Plus des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,1%. Im Juni waren die Berliner Forscher noch von +3,2% ausgegangen. „Die deutsche Wirtschaft windet sich nur langsam aus der Pandemie“, erklärten die DIW-Ökonomen. 2022, wenn sich die Engpässe aufgelöst hätten, könne die Wirtschaft dann „wieder durchstarten“. Für 2022 wurde daher die Prognose von 4,3% auf 4,9% erhöht. Das Essener RWI erwartet für kommendes Jahr ebenfalls 4,9%, war mit 4,7% aber bereits zuvor etwas optimistischer gewesen – ebenso wie für 2021, für das die Prognose um 0,2 Prozentpunkte auf 3,5% gesenkt wurde. Die RWI-Ökonomen beziffern einen etwaigen Wertschöpfungsverlust im Falle eines erneuten Lockdowns wie im vergangenen Winter auf 52 Mrd. Euro – verglichen mit 13 Mrd. Euro, wenn die 2G-Regel zur Anwendung kommt. Beide Institute rechnen wegen der Lieferengpässe mit einer Inflationsrate von 3,0% in diesem Jahr. Am kommenden Mittwoch legen der Bankenverband BdB und das Ifo-Institut ihre neuen Prognosen vor.

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