Industrie sorgt für bessere Laune
Industrie sorgt für bessere Laune
Ifo-Index legt zu − Höhere Erwartungen − Lage verschlechtert – Bundesbank erwartet Stagnation
Die deutsche Wirtschaft bewahrt angesichts des Schwebezustands der Handelsstreitigkeiten Ruhe. Im Mai hat vor allem die Industrie für die Stimmungsaufhellung gesorgt. Im ersten Quartal dürfte das Wachstum dennoch mau ausfallen: Das Ifo-Institut erwartet 0,1%, die Bundesbank eine Stagnation.
ba Frankfurt
Das zweite Quartal beginnt die deutsche Wirtschaft mit einer etwas besseren Stimmung. Wohl auch, weil sich die USA bei den Handelsstreitigkeiten verhandlungsbereit zeigen. Die Unsicherheit bei den Unternehmen hat sich etwas gelegt und die Zinssenkungen der EZB sowie das Infrastrukturpaket der neuen Bundesregierung schüren die Hoffnung auf eine Erholung der Konjunktur.
Das Ifo-Geschäftsklima − das wichtigste Frühbarometer für die deutsche Wirtschaft − kletterte im Mai um 0,6 auf 87,5 Punkte und liegt damit leicht über den erwarteten 87,3 Zählern. Dabei fielen die Erwartungen weniger skeptisch aus, wohingegen die laufenden Geschäfte etwas schlechter beurteilt wurden. Die zuletzt stark gestiegene Unsicherheit unter den Unternehmen habe etwas abgenommen, konstatiert Ifo-Präsident Clemens Fuest: „Die deutsche Wirtschaft fasst langsam wieder Tritt.“
Vor allem im verarbeitenden Gewerbe hat sich die Stimmung deutlich verbessert, nachdem sich auch der Auftragseingang stabilisiert hat. Dass die Laune im Dienstleistungssektor erneut gestiegen ist, führt Fuest auch auf den Bereich Transport und Logistik zurück. Dieser habe sich von dem Stimmungseinbruch erholt, den die Zollankündigungen verursacht hatten. Im Handel hat der Ifo-Index spürbar zugelegt. Das Bauhauptgewerbe zeigt sich zum vierten Mal in Folge besser gelaunt.
„Erste Erholungszeichen“
„Die Konjunktur zeigt erste Anzeichen einer Erholung“, kommentierte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. „Wir haben erst begonnen, uns aus dem Tal nach oben zu arbeiten und wir kommen nur langsam aus dem Tal heraus.“ Ein „schneller Konjunkturanstieg“ sei nicht zu erwarten. „Das Prinzip Hoffnung ist wieder da, man ist aber immer noch vorsichtig.“ Viel hängt von der weiteren Entwicklung der US-Handelspolitik ab. Oder wie Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank, formuliert: „Nach wie vor hängt die Stimmung der deutschen Unternehmen wie eine Marionette an den Fäden von Donald Trumps Handelspolitik.“ Im zweiten Quartal dürften aber noch die Impulse aus Vorzieheffekten helfen. Wie auch im ersten Quartal, in dem das BIP um 0,2% zum Vorquartal zugelegt hatte.
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer mahnt, dass „die deutschen Unternehmen mittelfristig schätzungsweise ein Drittel ihres US-Geschäfts verlieren“ dürften, wenn die USA dauerhaft einen Zollsatz von 15% auf Waren aus der EU erheben. Im Durchschnitt der kommenden zwei Jahre dürfte dies das Wachstum um schätzungsweise 0,5 Prozentpunkte dämpfen. Für das gesamte Jahr 2025 erwartet Krämer nur eine Stagnation des Bruttoinlandsprodukts, ebenso wie der Sachverständigenrat Wirtschaft.
Zinssenkungen machen sich allmählich bemerkbar
LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch macht einen weiteren Punkt: „Etwas unterschätzt wird unseres Erachtens die Rolle der Geldpolitik.“ Die EZB habe die Leitzinsen inzwischen nahezu halbiert. Auch das dürfte sich inzwischen in der Realwirtschaft niederschlagen. „Bei aller angebrachten Konjunkturskepsis: Es mehren sich die Hoffnungszeichen.“ Für Dirk Schumacher, Chefvolkswirt der KfW, scheint der Anstieg der Erwartungskomponente „auch ein gestiegenes Vertrauen der Unternehmen in die eigene Robustheit zu signalisieren“. Die langjährige Stagnation könne demnächst überwunden werden, für die Erholung brauche es allerdings mehr als das Fiskalpaket für Verteidigung und Infrastruktur. „Dieses Geld ist zwar notwendig, aber nicht hinreichend für die Wende zum Besseren.“ Essenziell für das Gelingen seien auch Bürokratieabbau, schnellere Genehmigungsverfahren und das Vermeiden angebotsseitiger Engpässe etwa aufgrund fehlender Fachkräfte.
Effekte erst längerfristig sichtbar
Die positiven Effekte für die Konjunktur durch die „absehbare, deutlich expansive Fiskalpolitik sind kurzfristig noch nicht zu erwarten“, schreibt die Bundesbank im Monatsbericht Mai. „Mit einer gewissen Verzögerung dürften jedoch insbesondere die höheren Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung Auftrieb verleihen.“ Dies gelte vor allem für Maßnahmen zur Verbesserung des Umfelds für Unternehmensinvestitionen. Bei der Energiewende stehe ein schlüssiges Gesamtkonzept noch aus. „Mit effizienzsteigernden Maßnahmen und marktbasierten Mechanismen können die Kosten der Energiewende begrenzt werden.“ Die Regierungspläne zielten teils in diese Richtung.