Insolvenzen so hoch wie seit 2013 nicht
Insolvenzen in Westeuropa so hoch wie seit 2013 nicht
Creditreform erwartet weiteren Anstieg – Deutschland und Großbritannien treiben die Zahlen – Bau besonders betroffen
ba Frankfurt
Wegen der Konjunkturschwäche sind 2024 so viele Firmen in Westeuropa in die Pleite gerutscht wie seit 2013 nicht. Und in diesem Jahr dürften die Insolvenzzahlen weiter steigen, erwartet die Auskunftei Creditreform. Von einem Insolvenztsunami könne angesichts der absoluten Zahlen zwar noch nicht gesprochen werden, erklärt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung bei der Präsentation der Insolvenzbilanz des vergangenen Jahres, denn Insolvenzen gehörten zu einer Marktwirtschaft. Allerdings gingen durch die Pleiten viel Know-how und Fertigungskompetenzen verloren, wodurch auch die Wettbewerbsfähigkeit leide.
Deutschland ist Treiber des Geschehens
Binnen Jahresfrist hat die Insolvenzzahl in Deutschland um 22,5% auf 22.070 zugelegt. Dies ist der höchste Stand seit fast zehn Jahren. Bereits 2023 gab es einen ähnlich starken Zuwachs. In diesem Jahr, so schätzt Hantzsch, dürfte diese Zahl überschritten werden. Für eine genauere Prognose sei die Lage aber zu volatil. Allein im ersten Quartal habe sich bereits ein Zuwachs von 30% zum Vorjahr ergeben, erklärte Hantzsch. Im vergangenen Jahr zählte Deutschland zu den Haupttreibern des Insolvenzgeschehens in Westeuropa. In allen Wirtschaftssektoren hätten die Fallzahlen mit zweistelligen Zuwachsraten zugelegt, besonders stark im Dienstleistungsbereich und im verarbeitenden Gewerbe.
Wettbewerb fordert Opfer
„Drei Jahre Stagnation und wirtschaftliche Flaute haben nicht nur Deutschland im Griff, sagte Hantzsch mit Blick auf den Insolvenzanstieg in Westeuropa von 12,2% auf insgesamt 190.449 Fälle. Die Pleiten seien keine reinen Nachholeffekte aus der Coronazeit, sondern auch Folge des deutlich verschärften Wettbewerbs, struktureller Versäumnisse in der Vergangenheit und den anhaltenden Krisen. „Seit dem bisherigen Tiefpunkt im Jahr 2021 ist die Zahl der Firmenpleiten in Westeuropa um fast 70% gestiegen – und ein weiterer Anstieg zeichnet sich ab“, betont Hantzsch. Probleme bereiten hohe Zinsen, steigende Energiepreise, eine insgesamt schwache Nachfrage sowie geopolitische Unsicherheiten. Besonders betroffen seien kleine und mittlere Betriebe gewesen, die oft nur über geringe finanzielle Rücklagen verfügten.
Gesetzesänderung verzerrt griechische Zahlen
In 15 der 17 untersuchten westeuropäischen Staaten stiegen die Insolvenzzahlen 2024. In Dänemark und Großbritannien hingegen wurden Rückgänge verzeichnet – wobei letzteres dennoch ein weiterer Treiber der Entwicklung in Westeuropa war, wie Hantzsch erklärt. Der Anstieg in Griechenland – mit 42,5% der stärkste – beruhe auf einer Gesetzesänderung aus dem Vorjahr. Kräftige Zuwächse verzeichneten zudem Irland (32,0%) und die Niederlanden (31,7%). Auch in Deutschland (22,5%), Frankreich (17,4%) und Italien (8,9%) gab es deutliche Zuwächse. Am stärksten betroffen war das Baugewerbe (+15,4%) – nahezu jede fünfte Insolvenz entfällt auf diesen Bereich. Es folgen der Dienstleistungssektor (14,2%), Industrie (9,3%) und Handel (8,1%).

Konsolidierung im Handel erkennbar
Besonders auffällig findet Hantzsch, dass sich beim Handel, der zuvor besonders betroffen war, ein Hinweis auf eine beginnende Konsolidierung in dieser Branche zeigt: Der Anteil an den Insolvenzen ging leicht auf 30,0% zurück. Im Fokus stehe nunmehr der Bau, der mit Ausnahme Skandinaviens in allen westeuropäischen Ländern besonders betroffen sei – „der Bereich, der viel für die Zukunft tun soll, Stichwort energetische Sanierung, Wohnungsbau“, so Hantzsch. Und auch im verarbeitenden Gewerbe, wo die höchste Wertschöpfung herkommt wie etwa in Deutschland, seien jüngst besonders hohe Zahlen zu sehen. Dabei sei gerade die Industrie „traditionell ein Fels in der Brandung“.
Anstieg auch in Mittel- und Osteuropa
Während in fast allen untersuchten westeuropäischen Ländern die aktuellen Fallzahlen inzwischen klar über dem Vor-Corona-Niveau von 2019 liegen, steigen in den meisten mittel- und osteuropäischen Ländern zwar die Insolvenzzahlen. Doch liegen die Fallzahlen in vielen Fällen noch unter dem Niveau von 2019. Besonders deutliche Anstiege gab es laut Creditreform zuletzt in Polen, Lettland, Slowenien, Litauen und Estland. Als häufige Insolvenzursache gelten hier schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Finanzierungsschwierigkeiten, gestiegene Kosten sowie eine schwache Kaufkraft.
In den USA wiederum belasteten weiterhin hohe Zinsen und zurückgehende Konsumausgaben die Unternehmen trotz des moderaten Wirtschaftswachstums. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen kletterte um 16,6% auf 30.009 Fälle. Das ist noch unter dem Vor-Coronaniveau. 2018 und 2019 gab es jeweils fast 40.000 Firmenpleiten.