Krieg in Nahost

Iran-Krise legt Europas Bedeutungsverlust offen

Im Krieg in Nahost haben die USA das Heft des Handels übernommen. Die Märkte zeigen sich resilient und abwartend. Europa hat seine geopolitische Rolle verloren. Bis zur nächsten Eskalation?

Iran-Krise legt Europas Bedeutungsverlust offen

Iran-Krise legt Europas Bedeutungsverlust offen

Ökonom Guntram Wolff: EU ohne USA machtlos – Konjunkturelle Folgen im Blick

lz Frankfurt

Europas Anleger zeigen sich nach dem Eintritt der USA in den Krieg Israels gegen den Iran zwar verunsichert, aber eine Panik ist ausgeblieben. Nun kommt es mit Blick auf Wirtschaft und Märkte entscheidend darauf an, ob der Iran als Reaktion auf den US-Angriff nun die wichtige Schiffsroute durch die Straße von Hormus schließt. Immerhin fließen jeden Tag rund 20 Mill. Barrel durch die Meerenge, ein knappes Fünftel der täglichen Ölfracht.

Aber schon jetzt hat die neue Iran-Krise die relative Bedeutungslosigkeit Europas als geopolitischer Akteur offengelegt. Die EU, so der Brüsseler Ökonom Guntram Wolff im Interview der Börsen-Zeitung, werde bei seinen Friedensbemühungen nicht ernst genommen, weil es an glaubwürdiger militärischer Macht fehle. Selbst in der für die EU so wichtigen Handelspolitik, warnt er, könne Europa „nur sehr begrenzt eigenständig agieren“. Die Region sei auf die Sicherheitsgarantien der USA angewiesen.

Glaubwürdigkeit mit militärischer Macht

Um seine geopolitische Überzeugungskraft zurückzuerlangen, müsse Europa endlich in strategische Kapazitäten investieren, die aktuell nur die USA bereitstellten. Erst dann könne die Region wieder ihr Gewicht etwa bei Friedensbemühungen in die Waagschale werfen. Doch fehle es der Region diesbezüglich an „politischer Ernsthaftigkeit“.

Zuletzt hatte Wolff zusammen mit dem Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) eine Studie herausgebracht, welche die Problemstellen in der europäischen und deutschen Rüstungspolitik offenlegt.

Iran in der Zwickmühle

Inwieweit die jüngste Eskalation nach Einschätzung von Ökonomen die deutsche und europäische Konjunktur tangiert, hängt von der Konsequenz und Dauer einer Blockade der Meerenge von Hormus ab. Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING, rechnet mit einem kurzfristigen Anstieg des Brent-Preises für Rohöl aus der Nordsee bis auf 120 Dollar. Bei einer längeren Unterbrechung der Schifffahrtsroute bis Ende des Jahres sei sogar mit einem Preisanstieg bis 150 Dollar je Barrel zu rechnen. Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater verweist indes auf Überkapazitäten am Ölmarkt. Wieder andere gehen davon aus, dass Iran diesen Schritt scheut, weil er vor allem seinem treuesten Kunden China damit schaden würde.

Ein Ölpreisanstieg auf etwa 120 Dollar würde für Deutschland die Einfuhrkosten konkret um etwa 1% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erhöhen und die Inflation kurzfristig um etwa einen Prozentpunkt nach oben treiben. Das dürfte auch das Wachstum beeinträchtigen, weil Investoren und Konsumenten sich zurückhalten ob der höheren Preise und Unsicherheit.

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