Deutsche Konjunktur

Konsumenten sorgen für Schwung

Die deutsche Wirtschaft ist im Sommer kräftiger gewachsen als gedacht. Vor allem der Privatkonsum hat Schwung gebracht. Im Schlussabschnitt müssen aber andere Wachstumsbringer her, auch wenn das Konsumklima zugelegt hat.

Konsumenten sorgen für Schwung

ba Frankfurt

Die deutsche Wirtschaft hat sich dank ausgabefreudiger Verbraucher im dritten Quartal besser als erwartet geschlagen. Im Herbst allerdings wird es nach Ansicht von Ökonomen zu keiner weiteren positiven Überraschung kommen. Auch wenn sich die Konsumstimmung just im laufenden Weihnachtsgeschäft gebessert hat und Stimmungsindikatoren wie das Ifo-Geschäftsklima oder der Einkaufsmanagerindex zuletzt positive Signale gesendet haben, erwarten sie weiter eine Rezession. Diese dürfte allerdings etwas milder ausfallen als zuletzt befürchtet.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer etwa erwartet keinen Kollaps mehr wie in der Coronakrise oder in der globalen Finanzkrise 2009. Denn seit Ende September hätten sich die Rahmenbedingungen „deutlich entspannt“, wie er bei der Vorstellung seiner Jahresprognose sagte. Er rechnet für das erste Halbjahr 2023 mit einer Rezession, die Erholung dürfte dann im zweiten Halbjahr beginnen: „Rezessionen sind im Schnitt eher kurz“. Erstmals seit langem hat er die Prognosen nach oben revidiert: für das Gesamtjahr 2023 um 1 Prozentpunkte auf −0,5% und für die Eurozone um 0,7 Punkte auf 0,0%. Die KfW erwartet einen Rückgang um 1,0%. „Der kurzlebige Wachstumssprint im Sommer hat die Rezession in Deutschland aufgeschoben – aber sie kommt“, erklärte dazu KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib.

„Fast wie in Boomzeiten“

Im dritten Quartal hatte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,4% zum Vorquartal zugelegt – „trotz schwieriger weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen mit anhaltender Corona-Pandemie, Lieferengpässen, weiter steigenden Preisen und dem Krieg in der Ukraine“, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) betonte. Die Statistiker revidierten damit ihre Erstschätzung um 0,1 Prozentpunkte nach oben. Wachstumstreiber waren die privaten Konsumausgaben, die um 1,0% zum Vorquartal zulegten (siehe Grafik). Laut den Statistikern hatten „die Verbraucher die Aufhebung fast aller Corona-Beschränkungen genutzt, um zum Beispiel mehr zu reisen und auszugehen“. Die Konsumausgaben des Staates stagnierten hingegen. Das kräftige Plus der Ausrüstungsinvestitionen – also vor allem in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge – von 2,7% erinnert Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, „fast schon an Boomzeiten“. Den Rückgang der Bauinvestitionen um 1,4% fand er „allerdings weniger überrascht, denn die Baubranche leidet bereits unter dem höheren Zinsniveau und hohen Erstellungskosten für Neubauten“. Der Handel mit dem Ausland hat laut Destatis „insgesamt trotz der angespannten internationalen Situation“ zugenommen. Dank eines weiter hohen Auftragsbestands und wieder besser funktionierender weltweiter Lieferketten legten die Exporte um 2,0% zu, während die Importe von Waren und Dienstleistungen um 2,4% stiegen.

Nachdem die BIP-Details „auf jeder Linie“ überrascht und sich die Vorlaufindikatoren zuletzt aufgehellt hätten, stellt sich für Gitzel „nun die berechtigte Frage, ob denn nicht das vierte Quartal erneut zu einer positiven Überraschung“ wird: „Jagen uns Ifo-Geschäftsklima & Co derzeit ins Bockshorn?“ Ebenso wie die Unternehmensstimmung hat nun auch das Verbrauchervertrauen zugelegt: Für Dezember prognostiziert die GfK ein Konsumklima von −40,2 Punkte, im November waren es noch −41,9 Zähler. „Damit scheint der Absturz des Konsumklimas zu einem Ende gekommen zu sein, wenn das Niveau des Indikators auch nach wie vor sehr niedrig bleibt“, erklärten die Nürnberger Marktforscher. Zusätzliche Unterstützung erhalte das Konsumklima durch einen Rückgang der Sparneigung – im dritten Quartal lag die Sparquote laut Destatis bei 9,6% nach 10,4% im Vorjahr, wobei der Rückgang vor allem preisbedingt sei. Die hohen Preise dämpfen auch weiter das Konsumklima: Die gesunkene Anschaffungsneigung erklärt die GfK mit fehlenden Mitteln wegen der hohen Energiekosten. Die Einkommenserwartung stieg wegen des robusten Jobmarktes und der hohen Tarifabschlüsse. Die Konjunkturerwartungen stiegen ebenfalls, auch wenn die Konsumenten weiter eine Rezession erwarten.

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