Euro-Konjunktur

Kreditvergabe zieht vor Zinswende an

Neue Daten zur Kreditvergabe und Geldmengenentwicklung im Euroraum sorgen für ein wenig Konjunkturzuversicht zumindest fürs zweite Quartal. Die EZB dürfte sich in ihren Zinserhöhungen bestärkt sehen.

Kreditvergabe zieht vor Zinswende an

ms Frankfurt

Neue Daten zur Kreditvergabe und Geldmengenentwicklung im Euroraum haben für ein wenig Konjunkturzuversicht zumindest fürs zweite Quartal gesorgt. Die Ausleihungen der Banken an Firmen erhöhten sich im Juni – unmittelbar vor der EZB-Zinswende – deutlich, wie die Europäische Zentralbank (EZB) am Mittwoch mitteilte. Das dürfte die Euro-Hüter tendenziell eher darin bestärken, an ihren Zinserhöhungen festzuhalten – zumal das robuste Wachstum der Geldmengen Erwartungen an eine vorerst weiter hohe Inflation stützt.

Die EZB hatte vergangene Woche erstmals seit elf Jahren ihre Leitzinsen erhöht und das gleich überraschend um 50 Basispunkte statt der zuvor angekündigten nur 25 Basispunkte. Für die nächsten Sitzungen avisierte sie zudem weitere Zins­anhebungen. Hintergrund ist die anhaltende Rekordinflation, die im Juni bei 8,6% gelegen hat. Zugleich nehmen aber Rezessionssorgen zu, vor allem wegen der Folgen des Ukraine-Kriegs.

Kurz vor der Zinswende der EZB fragten die Unternehmen im Euroraum nun in großem Stil Kredite nach. Die Ausleihungen erhöhten sich im Juni um 6,8%. Im Mai hatte das Plus bei 5,8% gelegen. Ein Faktor hinter der deutlichen Beschleunigung war die Erwartung höherer Zinskosten für Darlehen im Zuge der Zinswende. Volkswirte werteten die neuen Daten als ermutigendes Konjunktursignal zumindest noch für das zweite Quartal des laufenden Jahres. „Die immer noch relativ guten Kreditzahlen deuten darauf hin, dass im zweiten Quartal wahrscheinlich noch ein positives BIP-Wachstum zu verzeichnen war“, sagte Peter Vanden Houte, Chefvolkswirt für die Eurozone bei der ING.

Euro-Konjunktur schwächelt

Für die EZB steht die Kreditvergabe im besonderen Fokus. Sie schaut sehr genau darauf, inwieweit im Zuge der wirtschaftlichen Abschwächung i­nfolge des Ukraine-Kriegs und der Verschärfung der Finanzierungsbedingungen auch ein Rückschlag bei der Kreditvergabe droht – was die Konjunkturschwäche dann wiederum verstärken könnte. Mit Blick auf die Investitionstätigkeit stehen vor allem die Ausleihungen an die Unternehmen im Mittelpunkt. Ein Anziehen der Investitionen gilt vielen als zentrale Voraussetzung für einen selbsttragenden Aufschwung.

Unterdessen wuchs die Geldmenge im Juni schwächer als zuvor. Die breit gefasste Geldmenge M3 wuchs laut EZB um 5,7%. Im Vormonat hatte die Rate revidiert 5,8% betragen. Analysten hatten für Juni einen Rückgang auf 5,4% erwartet. Die enger gefasste Geldmenge M1 wuchs ebenfalls schwächer, die Rate fiel von 7,9 auf 7,2%. M1 gilt vielen Beobachtern als guter Konjunkturindikator.

Unter Beobachtung stehen die Geldmengen aber auch mit Blick auf die Inflationsentwicklung. Zwar ist der Zusammenhang zwischen Geldmengenentwicklung und Inflation inzwischen umstritten. Vielen gilt ei­ne sich stark ausweitende Geldmenge aber weiter als Inflationsvorbote. „Die heutige Zahl zeigt, dass sich der Abwärtstrend nur sehr langsam vollzieht“, sagte ING-Ökonom Vanden Houte. „Das ist ein Grund für die Falken im EZB-Rat zu argumentieren, dass die Normalisierung der Geldpolitik noch ein wenig weiter gehen muss, um die Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen, ungeachtet des drohenden Rezessionsrisikos.“

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