Steuerschätzung

Lindner bremst Begehrlich­keiten

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) steht nach der Steuerschätzung auf der Bremse. Die von den Steuerschätzern vorausgesagten Mehreinnahmen für den Bund sind demnach bereits verplant.

Lindner bremst Begehrlich­keiten

wf Berlin

„Es gibt jedenfalls keinen Anlass und auch keinen Spielraum für neue Ausgabenprogramme“, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bei der Vorstellung der Zahlen der Steuerschätzer vor der Presse in Berlin. Die in der Steuerschätzung noch nicht berücksichtigten Entlastungspakete der Ampel-Koalition gegen höhere Energiekosten und steigende Preise zehren demnach die von den Schätzern vorausgesagten Mehreinnahmen im Vergleich zur November-Prognose auf. Traditionell berücksichtigt der Arbeitskreis Steuerschätzung Vorhaben erst, wenn sie im Gesetzesblatt stehen. Allein die Gesetzesinitiativen zur Anpassung von Grundfreibetrag, Werbungskosten und Pendlerpauschale werden die öffentlichen Kassen bis 2026 mit 22 Mrd. Euro belasten. Diese Initiativen berät derzeit der Bundestag.

Lindner verwies zudem auf zusätzliche wirtschaftliche Risiken, die der Kassenlage des Bundes zusetzen könnten. „Die aktuelle Schätzung kommt in einer großen Phase der Unsicherheit“, sagte Lindner. Der Minister führte die wegen des Corona-Lockdowns gestörten Lieferketten nach China an sowie eine mögliche weitere Eintrübung der Konjunktur durch den Krieg in der Ukraine. Zudem müsse sich der Bund bei seiner eigenen Verschuldung auf höhere Zinsen einstellen. Lindner stellte sich auch auf die Kompensation der sogenannten kalten Progression im Einkommensteuertarif durch die inflationäre Entwicklung ein. Er interpretiere den Koalitionsvertrag so, dass auch Steuererhöhungen dieser Art ausgeschlossen sind. Den Progressionsbericht zu Inflation und Lohnsteigerungen will Lindner im Herbst vorlegen.

Deutlich mehr Einnahmen

Der Bund kann in diesem und im nächsten Jahr mit knapp 17 Mrd. Euro und fast 20 Mrd. Euro zusätzlichen Einnahmen kalkulieren. Die Steuereinnahmen steigen damit von 313,7 Mrd. Euro (2020) auf ge­schätzte 345,2 Mrd. Euro in diesem Jahr und 356,2 Mrd. Euro im nächsten Jahr (siehe Tabelle). Bund, Länder und Gemeinden werden insgesamt laut Prognose der Steuerschätzer in den nächsten Jahren deutlich mehr Steuern einnehmen. Im Vergleich zum November prognostizieren die Schätzer für dieses Jahr ein Plus von 40,4 Mrd. Euro und von 46,3 Mrd. Euro für 2023. Bis einschließlich 2026 summieren sich die neu geschätzten Einnahmen auf zu­sätzliche 220 Mrd. Euro. Bis 2026 werden die Einnahmen aller Gebietskörperschaften erstmals die Marke von 1 Bill. Euro überschreiten.

Die günstige Entwicklung der Steuereinnahmen ist unter anderem auf die Preissteigerung zurückzuführen. Für die Steuerschätzung ist das nominale und nicht das reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts ausschlaggebend. Lindner bekräftigte, dass der Bund 2023 nach drei Jahren Corona-Ausnahmen die Schuldenbremse wieder einhalten werde. Die höheren Einnahmen machten es aber nicht leichter, unterstrich der Minister. „Das wird harte Arbeit.“

Kritik kam aus der Opposition. Christian Haase, haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, verlangte, der Staat müsse Inflationsgewinne zurückgeben. „Die Kaufkraftverluste müssen ausgeglichen werden“, forderte Haase. Der finanzpolitische Sprecher der Linken-Fraktion, Christian Görke, forderte die Ampel auf, „die Entlastungspakete dringend aufzustocken“. Außerordentliche Gewinne der großen Energiekonzerne sollten abgeschöpft werden.

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