Taiwan-Reise

Pelosi verpasst China einen Realitäts­check

Viele befürchten, dass Pelosis Taiwan-Reise ein Pulverfass im Konflikt zwischen China und den USA zündet. Zunächst einmal hat sie Peking eine Lektion in Sachen Selbstüberschätzung mit Drohgebärden erteilt.

Pelosi verpasst China einen Realitäts­check

Spiel mit dem Feuer, Kriegstreiberei, unverantwortliche Provokation, Verletzung der Souveränität: Das sind die wichtigsten Schlagworte, mit denen Peking den Besuch der US-Politikerin Nancy Pelosi in Taiwan abqualifiziert. China hat eine energische militärische Antwort angedroht, belässt es aber bei einem großangelegten Übungsmanöver der Volksarmee. Dessen militärische Bedeutung bleibt zunächst ungewiss. Am Mittwoch wurde weiter zurückgerudert. Das Außenministerium bat das chinesische Publikum um Geduld beim Austarieren geeigneter Strafmaßnahmen für die USA und Taiwan.

Aus den USA melden sich kritische Stimmen, die befinden, dass Pelosi ihre Taiwan-Reise besser unterlassen hätte, um kein Pulverfass aufzumachen. Zunächst einmal aber drängt sich eine andere Optik auf. Peking hat sichtlich Mühe, selbst geschürten Erwartungen gerecht zu werden, dass ihre massiven Drohungen einen Einschüchterungseffekt erzielen, der die Machtbalance zwischen China und den USA neu definiert. Den Provokationscharakter der Taiwan-Visite hat Chinas Staatsführung selber herbeigeführt. Hätte sie den Vorgang heruntergespielt und auf Drohungen verzichtet, wäre Pelosis Reise aller Voraussicht nach als exzentrischer Auftritt einer am Ende ihrer Laufbahn stehenden Politikerin statt als geopolitischer Krisenfaktor ge­wertet worden.

Pelosi hat keine unterschriftsreifen Waffenverträge mit sich geführt, sondern eine Regierungschefin umarmt, deren demokratische Werte und Amtsführung sie teilt und unterstützt. Als Soft-Power-Geste dürfte dies wirksamer sein als Bidens letzte Asien-Besuche mit angehängtem Demokratieseminar. Für Taiwanesen wie auch Festlandchinesen, die den Ein-China-Gedanken mit friedlicher Wiedervereinigungsmöglichkeit grundsätzlich unterstützen, aber die Patriotismus-Hetze der gegenwärtigen Parteiführung ablehnen, ist der Pelosi-Trip von unschätzbarem Wert.

Der Besuch der alten Dame in Taipeh hat China einen Realitätscheck verpasst. Das Drohspiel funktioniert nicht wie gewünscht. Nun muss der Propagandaapparat sanft zurückrudern. Die Staatsmedien fahren Kriegsparolen herunter und betonen plötzlich Aspekte einer „friedlichen“ Wiedervereinigung mit Taiwan. Davor war seit Monaten stets nur von der historischen Taiwan-Mission die Rede. Sie bedeutet die Unterwerfung unter das Diktat der Kommunistischen Partei, egal mit welchen Mitteln. Hätte Pelosi abgedreht, wäre dies als triumphaler politischer Sieg Chinas über die USA gefeiert worden. Nun muss Peking neu überlegen.

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