Außenpolitik

Pelosi zieht ihre Taiwan-Visite durch

Die US-Politikerin Nancy Pelosi löst mit ihrem Taiwan-Besuch eine Verhärtung im geopolitischen Streit mit China aus. Nach anfänglichen Drohungen ei­ner militärischen Intervention will sich Peking nun zunächst mit ei­nem großflächigen militärischen Übungsmanöver als Demonstration der Stärke begnügen.

Pelosi zieht ihre Taiwan-Visite durch

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Im politischen und diplomatischen Kräftemessen zwischen China und den USA setzt die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, mit ihrer Visite der von China beanspruchten, aber unabhängig und demokratisch regierten Insel Taiwan einen wichtigen neuen Akzent – mit zunächst noch unbekannten Folgen für das bilaterale Verhältnis der beiden mächtigsten Nationen weltweit. Nach tagelangen Kontroversen und einer unüblichen Geheimhaltung über die tatsächliche Route ihrer Asien-Reise landete Pelosi spät am Dienstagabend mit einer Passagiermaschine der US-Regierung in Taipeh und wurde ohne größeres Zeremoniell von Taiwans Außenminister Joseph Wu begrüßt.

Am Mittwoch will sich Pelosi zu Gesprächen mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen und voraussichtlich einer Reihe von Parlamentsmitgliedern und weiteren Delegationen für einen Austausch treffen. Die nüchtern gehaltene Visite der in der US-Präsidentenfolge an Rang drei stehenden Politikerin wird von Chinas Staatsführung als bislang größter politischer Affront gewertet, der den vom Ex-Präsidenten Donald Trump losgetretenen Handelsstreit bei weitem übersteigt. Nach Pekinger Darstellung handelt es sich um eine außerordentliche Provokation, mit der die USA Chinas „Souveränitätsrechte und territoriale Integrität verletzt“.

China sieht das nach völkerrechtlichem Status nicht als ein eigenes Land, sondern als selbstverwaltete Insel kategorisierte Taiwan nach wie vor als eine Provinz unter dem Souveränitätsdach der Volksrepublik China an und führt dabei das Ein-China-Prinzip als wichtigstes politisches Leitmotiv an. Dabei beansprucht China ein absolutes Entscheidungsrecht über alle politischen Beziehungen, die Drittstaaten mit Taiwan pflegen, und wirkt mit massiven Drohungen und Wirtschaftsstrafen auf Länder ein, die diplomatische Beziehungen zu Taiwan knüpfen.

Seitens der USA wird das Ein-China-Prinzip grundsätzlich akzeptiert und Beziehungen zu Taiwan auf Sparflamme gehalten. Damit unterstützen die USA zwar keine Unabhängigkeitsbestrebungen Taiwans, halten aber an der Zusage eines militärischen Beistands im Falle eines Angriffs oder einer Invasion fest. Diese Position wurde erst vergangene Woche von US-Präsident Joe Biden im Rahmen eines Telefonats mit Chinas Präsident Xi Jinping bekräftigt. Dieser wiederum ließ sich im An­schluss an das Gespräch zur Causa Pelosi mit der bereits öfters herangezogen Formulierung „Wer in der Taiwan-Frage mit dem Feuer spielt, wird in den Flammen umkommen“ zitieren.

Über das Wochenende hinweg hatte Chinas Propaganda-Apparat dann sämtliche Register gezogen, um eine irgendwie geartete militärische Gegenmaßnahme im Falle eines tatsächlichen Eintreffens Pelosis in Taiwan anzudeuten. Am Montag erklärte ein Sprecher des Außenministeriums beim täglichen Briefing, dass die chinesische Volksarmee nicht still dabei zusehen werde, wenn Pelosi den Besuch wahrmache. Hinweise der US-Seite, dass Pelosi in ihrer Rolle als Vorsteherin des Repräsentantenhauses vom Weißen Haus und dem US-Außenministerium losgelöst unabhängige Entscheidungen über die Wahl ihrer Gesprächspartner treffen kann, werden von Peking nicht akzeptiert.

Im Laufe des Tages ließ die chinesische Armee dann eine Reihe von martialischen Videos mit angeblichen Vorbereitungen für einen militärischen Einsatz verbreiten. Damit wurde die Möglichkeit einer militärischen Konfrontation beherrschendes Thema in den sozialen Medien. In der chinesischen Bevölkerung verdichtete sich die Erwartung, dass Peking diesmal über die üblichen verbalen Drohungen hinausgehen werde, um „das Gesicht zu wahren“ und das Image des Präsidenten als starkem Mann zu wahren, der sich die „Wiedervereinigung“ mit Taiwan als politisches Lebensziel auf die Fahnen geschrieben hat.

Im heiklen Abgleich der von Xi selbst geschürten Erwartung einer harten Reaktion bei gleichzeitiger Vermeidung einer politisch extrem riskanten militärischen Angriffshandlung hat Peking dann in der Nacht ein großflächiges militärisches Übungsmanöver in den Gewässern rund um Taiwan angekündigt, das von Donnerstag bis Sonntag währen soll und von Raketentests begleitet wird. Dies dürfte die als globale Transportroute hochfrequentierten Schifffahrtswege in der Taiwan-Meerenge für den angekündigten Zeitraum komplett blockieren.