Lohnentwicklung

Personaler erwarten 2023 deutliches Lohnplus

Deutsche Unternehmen erwarten ein Lohnplus von durchschnittlich 5,5% für ihre Mitarbeiter im kommenden Jahr. Die Arbeitnehmer werden das aber nur bedingt spüren: Die hohe Inflation frisst das Plus auf.

Personaler erwarten 2023 deutliches Lohnplus

ast Frankfurt

Die Löhne in Deutschland dürften im kommenden Jahr spürbar steigen. Das erwarten zumindest 81% der Personalleiter, die das Münchner Ifo-Institut zusammen mit der Zeitarbeitsfirma Randstad befragt hat. Der Umfrage zufolge liegt die durchschnittliche Erwartung für den Lohnzuwachs 2023 bei 5,5%. Angesichts der auf einem hohen Niveau verharrenden Inflation in Deutschland dürften die Arbeitnehmer dieses Lohnplus allerdings nur bedingt spüren. Dem WSI zufolge werden kommendes Jahr Tarifverträge für elf Millionen Beschäftigte verhandelt – mit teils heftigen Forderungen.

Inflationsprämie wird genutzt

Nur 19% der befragten Personaler erwarten gleichbleibende Löhne, sinkende Löhne erwartet kaum ein Unternehmen. Im Handel dürfte der Lohnanstieg mit im Schnitt 5,9% wohl am höchsten ausfallen, gefolgt von den Dienstleistern mit 5,6%. In der Industrie wird hingegen ein Lohnplus von durchschnittlich 5,0% erwartet. „Vor allem bei kleinen Firmen und im Handel erwarten einzelne Betriebe sogar deutlich höhere Lohnsteigerungen“, sagte Ifo-Expertin Johanna Garnitz.

Dazu trägt auch die steuerfreie Inflationsprämie bei, die die Bundesregierung zur Entlastung der Arbeitnehmer auf den Weg gebracht hat. Bis 2024 können Firmen bis zu 3000 Euro steuer- und abgabenfrei an ihre Mitarbeiter auszahlen. Eine solche Prämie wollen 42% der Betriebe zahlen. 44% sind hier noch unentschlossen, 14% schließen einen solchen Ausgleich aus. Dem Ifo-Institut zufolge wollen 71% der Befragten die Höchstsumme ausschöpfen. Profitieren dürften hier vor allem Arbeitnehmer in der Industrie und in großen Betrieben. Diese Unternehmen wollten etwa 80% des Maximalbetrags zahlen. Im Handel erwäge hingegen nur ein gutes Drittel, die Prämie zu gewähren – und dort dürften die Mitarbeiter im Schnitt auch nur 1500 Euro bekommen.

Das Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gibt an, dass im kommenden Jahr für rund elf Millionen Beschäftigte die Tarifverträge neu verhandelt werden. Die Forderungen gehen teilweise sehr deutlich über die des noch laufenden Jahres hinaus.

Für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes fordert Verdi etwa eine Einkommenserhöhung von 10,5%, auch die Ausbildungsvergütungen sollen angehoben werden und ausgelernte Lehrlinge unbefristet übernommen werden. Auch in der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie werden 10,5% mehr Lohn gefordert. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten fordert 10 bis 12% mehr Entgelt, bei der Deutschen Post verhandelt Verdi über 15,0% höhere Löhne.

Die Verhandlungsrunden, die im Januar starten, dürften der Debatte über die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale neuen Zündstoff verleihen. Zuletzt waren Ökonomen, die eine solche zusätzliche Befeuerung der Teuerung durch höhere Löhne erwarteten, in der Minderheit. Angesichts der jüngsten Abschlüsse und der aktuellen Forderungen könnte sich dieses Meinungsbild jedoch ändern. Das Statistische Bundesamt (Destatis) meldete zuletzt aber spürbar sinkende Reallöhne: Im dritten Quartal 2022 gingen diese um 5,7% zurück. Für die deutschen Arbeitnehmer war es bereits der vierte Quartalsrückgang in Folge.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht dennoch nur noch wenig Spielraum für weitere Entlastungen: „Wir sind an die Grenze gegangen, ich werde sie nicht überschreiten“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Seiner An­sicht nach könnten die Preisbremsen die Inflation dämpfen. Langfristig müsse Deutschland aber seinen gesellschaftlichen Wohlstand neu begründen, sagte Lindner. „Wir werden gerade kollektiv ärmer. Wir müssen daher unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken, damit unsere Wirtschaft in der Lage ist, durch den Verkauf höherwertiger Produkte und Dienstleistungen höhere Löhne zu zahlen.“ Aber erst müsse erwirtschaftet werden, bevor verteilt werden könne.

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