Wettbewerbsfähigkeit

Steigende Arbeitskosten machen Standort Deutschland zu schaffen

Die Arbeitskosten in Deutschland schießen in die Höhe und nagen an der Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen weichen zunehmend auf alternative Standorte aus.

Steigende Arbeitskosten machen Standort Deutschland zu schaffen

Arbeitskosten machen Standort zu schaffen

Preiswettbewerb setzt Unternehmen unter Druck – Steuer- und Sozialreform überfällig

Die Arbeitskosten in Deutschland schießen in die Höhe und nagen an der Wettbewerbsfähigkeit. Andere Länder bieten Unternehmen günstigere Investitionsbedingungen bei ähnlich hoher Produktivität. Die OECD zeigt Ansatzpunkte für Reformen: Sozialausgaben sind meist größter Belastungsfaktor für Lohnbezieher.

lz Frankfurt

Die Arbeitskosten in Deutschland sind in den vergangenen Jahren wieder deutlich gestiegen und setzen den heimischen Standort immer mehr unter Druck. Wie das Statistische Bundesamt meldet, mussten die Arbeitgeber aus Industrie und Dienstleistern im vergangenen Jahr pro Arbeitsstunde 43,40 Euro aufwenden. Im Jahr davor waren es 41,40 Euro und 2022 noch 39,60 Euro.

Das war der siebthöchste Wert eines EU-Landes und liegt deutlich über dem Gemeinschaftsschnitt in der Eurozone von 37,30 Euro. Die höchsten Arbeitskosten wurden dabei in Luxemburg und Dänemark mit 55,20 bzw. 50,10 Euro registriert, die niedrigsten in Bulgarien mit 10,60 Euro. Ungarn, die Slowakei und Polen, wohin zuletzt viele deutsche Unternehmen die Produktion verlagert haben, befinden sich mit Arbeitskosten zwischen 14,10 und 17,30 Euro ebenfalls auf sehr niedrigem Niveau.

Wettbewerbsfähigkeit verloren

Der Standort Deutschland hat sich dabei nicht nur im Rahmen der üblichen Preisentwicklung verteuert, sondern auch relativ zu einigen anderen Ländern. Im Jahr 2008 etwa lagen die Arbeitskosten hierzulande nur wenig über dem Euroschnitt, sogar niedriger als in Irland und nur knapp vor Italien. 2016 waren auch Finnland und Schweden noch teurer. Sowohl Italien als auch Schweden hatten in den vergangenen Jahren die Arbeitskosten aber teilweise dramatisch herunter geschleust – bei ähnlich hoher Produktivität.

Berücksichtigt werden bei dem Belastungsvergleich von Destatis die Brutto-Lohnkosten und Lohnnebenkosten wie zum Beispiel Sozialbeiträge, die auf Seiten der Arbeitgeber anfallen.

Die höchsten Steigerungen der Lohnkosten wurden im Vergleich zum Jahr 2020 in aufholenden Volkswirtschaften wie Polen (+19%), Kroatien (14,2%), Bulgarien (13,9%) oder Rumänien (13,5%) festgestellt. In Tschechien gab es die geringste Erhöhung um 1,3%. Deutschland lag mit einem Anstieg um 5% im Durchschnitt der EU-Staaten.

Aufschlussreiche OECD-Statistik

Um einen Ansatzpunkt zu finden, wie Deutschland die hohen Arbeitskosten senken kann, lohnt ein Blick in die neue Lohnstatistik der Industrieländerorganisation OECD. Die Ökonomen haben für alle OECD-Länder und Haushaltstypen den sogenannten Steuer- und Abgabenkeil berechnet, der auf den Bruttolöhnen lastet. Das führt zum einen zu höheren Arbeitskosten für die Unternehmen und mindert zum anderen die ausgezahlten Löhne, was auf den Konsum der Einkommensbezieher drückt. Das eine hindert Unternehmen zudem an Investitionen vor Ort, das andere schlägt unmittelbar auf die Konjunktur durch.

Zuletzt haben die Reallöhne insgesamt wieder leicht zulegen können, schreibt die OECD, weil nach dem Druck der starken Inflation wieder höhere Lohnabschlüsse vereinbart wurden. Aber der Griff des Staates auf die Einkommen hat nicht nachgelassen. Und Deutschland rangiert bei der Steuer- und Abgabenlast weit oben in der Statistik.

Sozialbeiträge entscheidend

Bei Alleinstehenden mit einem Steuer- und Lohnkeil in Höhe von 47,9% liegt Deutschland auf Platz zwei hinter Belgien und deutlich vor Frankreich oder Italien; bei Alleinverdiener-Ehepaaren mit zwei Kindern und einen Keil von 33,3% kommt der heimische Standort zwar nicht an Frankreich und Italien heran, aber Österreich und die Niederlande sind günstiger.

Wenn es nun darum geht, insgesamt die Belastungen zu senken, zeigt die OECD, dass zuletzt zwar einige Länder durch eine Steuerreform auf günstigere Platzierungen gekommen sind, aber zugleich ist offensichtlich, dass die Sozialbeiträge meist ein viel größerer Belastungsfaktor sind – vor allem für niedrige und mittlere Einkommen. Betrachtet man einen alleinstehenden Durchschnittsverdiener in Deutschland, werden 16,7% des Bruttolohns weggesteuert, aber 20,7% gehen für Sozialbeiträge drauf.

Vor dem Hintergrund, dass der Staat über die Sozialbeiträge hinaus noch Steuergeld in die Sicherungssysteme steckt, wird die Belastung durch diesen Sektor in der Lohnstatistik eher noch untertrieben. Insofern wäre eine Sozialreform, die mehr Effizienz und Sparsamkeit in die Systeme bringt, womöglich wirksamer als eine Steuerreform.

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