US-Inflation noch ohne Spuren des Zollkonflikts
Teurer gewordene Energie treibt im Juni die US-Inflation an. Die gestiegenen Zölle hingegen zeigen in den Daten des US-Handelsministeriums noch keine Spuren – erst in einigen Monaten dürften die höheren Einfuhrpreise über die Handelsketten hinweg auf die Verbraucherpreise durchschlagen. Ökonomen erwarten auf Basis des aktuell moderat bleibenden Preisdrucks, dass die Fed im September die Zinsschraube das nächste Mal lockert.
Kernrate legt nur leicht zu
Die Verbraucherpreise kletterten im Juni um 2,7% zum Vorjahr. Ökonomen hatten den zweiten Anstieg in Folge erwartet, aber nur mit einer Rate von 2,6%. Im Mai waren es noch 2,4%. Die Verbraucherpreise zogen von Mai auf Juni wie von Experten erwartet um 0,3% an nach 0,1% im Mai. Die Kernrate, bei der die volatilen Preise für Energie und Nahrungsmittel herausgerechnet werden, lag mit 0,2% zum Vormonat „wie zuletzt häufig leicht unter den Erwartungen“, heißt es bei der Commerzbank. Im Vorjahresvergleich kletterte die Kernrate von 2,8% auf 2,9%.
US-Präsident Donald Trump hatte im April hohe Sonderzölle für Importe aus Dutzenden Ländern verkündet, die er später teilweise wieder aussetzte. Ein Basiszollsatz von 10% blieb allerdings bestehen. US-Notenbankchef Jerome Powell hat bereits gewarnt, Zollerhöhungen in diesem Jahr dürften die Preise in die Höhe treiben und die Wirtschaft belasten. „Obgleich die Unternehmer in Umfragen angeben, die Last der Erhöhung der US-Einfuhrzölle auf die Verbraucher weiter zu wälzen, fehlt in der aktuellen Inflationsstatistik wieder einmal jegliche Spur davon“, so die Analyse von LBBW-Analyst Dirk Chlench. Aber: „Irgendwann müssen den Unternehmen ihre Vorräte aus Vor-Zollchaos-Zeiten doch zur Neige gehen.“
China-Importe werden teurer
Ob die US-Zollpolitik allmählich den US-Konsumenten erreiche, sei noch nicht mit Bestimmtheit zu sagen, meinte Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank. Er verwies darauf, dass beispielsweise die Preise für Neuwagen gefallen seien: „Gleichzeitig ist Bekleidung, die zu einem großen Teil aus Asien importiert wird, überdurchschnittlich teurer geworden“, so der Experte. Christoph Balz und Bernd Weidensteiner von der Commerzbank verweisen gleichfalls auf überdurchschnittliche Preisanstiege von häufig aus China importierten Waren wie etwa Haushaltsgeräte (+1,9%), Spielzeug (+1,8%) und Video/Audioprodukte (+1,1%). Die stark von Zöllen betroffenen Autos hingegen verbilligten sich sogar (Neuwagen –0,3%, Gebrauchtwagen –0,7%).
Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank erwartet von den Unternehmen eine weiter eher zögerliche Preisüberwälzungspolitik, die sich aber im zweiten Halbjahr verstärken dürfte. „Im Offenmarktausschuss der Fed scheint der Rückhalt für die bislang abwartende Position zu bröckeln. Ab September dürfte es mit den Leitzinsen langsam abwärtsgehen.“ Trotz der Rufe aus dem Weißen Haus nach einer Zinssenkung hielt die unabhängige US-Zentralbank den Schlüsselsatz zuletzt in der Spanne von 4,25 bis 4,50%. Die Federal Reserve will mehr Klarheit darüber gewinnen, wie sich die Handelspolitik Trumps auf die Inflation und den Arbeitsmarkt auswirken wird. Der nächste Zinsentscheid steht am 30. Juli an.
Schwacher Anstieg bei den Dienstleistern
Als weitere Indizien für einen nur moderaten Preisdruck gelten etwa der langsamere Anstieg der Mieten – dem wichtigsten Posten im Warenkorb – sowie der schwache Preisauftrieb bei den Dienstleistungen. „Hier spiegelt sich womöglich wider, dass der Lohnauftrieb nachgelassen und die Unternehmen bei den Kosten entlastet hat“, vermuten die Commerzbank-Ökonomen Balz und Weidensteiner. Außerdem würden die Preise bei einigen zuletzt weniger nachgefragten Dienstleistungen wie Flügen (–0,1%) und Hotelübernachtungen (–3,6%) sinken. VP Bank-Chefökonom Thomas Gitzel verweist auf eine Umfrage des regionalen Fed-Ablegers in New York: Diese zeige, dass vor allem im Dienstleistungssektor mit Zoll-bedingten Preiserhöhungen nicht lange gefackelt werde. Im verarbeitenden Gewerbe hingegen könnten viele Unternehmen wegen des globalen Wettbewerbs gestiegene Einkaufskosten nicht ganz so einfach weiterreichen. „In der Industrie gehen höhere Zollkosten deshalb zulasten einer geringeren Marge“, mahnt Gitzel.