Studien

Verlierer und Gewinner der hohen Inflation

Die hohe Inflation in Deutschland sorgt für hitzige Diskussionen. Neue Untersuchungen dürften diese nun noch einmal befeuern. Sie belegen, wer verliert – und wer gewinnt.

Verlierer und Gewinner der hohen Inflation

ms Frankfurt

Die anhaltend hohe Inflation in Deutschland beschert den Arbeitnehmern in diesem Jahr einen beispiellosen Reallohnverlust von rund 4,7%. Zugleich nutzen aber viele Unternehmen in Deutschland die hohe Inflation aus, um mit überzogenen Preiserhöhungen ihre Gewinne zu maximieren. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Berechnung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) und aus einer ebenfalls am Dienstag veröffentlichten Analyse des Münchener Ifo-Instituts hervor.

Die neuen Veröffentlichungen dürften die ohnehin hitzige Debatte in Deutschland über die hohe Inflation noch einmal befeuern – und insbesondere jene über eine zunehmende gesellschaftliche Spaltung infolge der Teuerung. Die Inflation in Deutschland liegt so hoch wie seit Jahrzehnten nicht, auch wenn sie zuletzt im November etwas nachgelassen hat. Im vergangenen Monat lag sie gemäß EU-Berechnung (HVPI) bei 11,3% und in nationaler Rechnung bei 10,0%. Aktuell wird sie vor allem durch den Ukraine-Krieg und die Energiekrise befeuert, aber auch vor dem Krieg hatte sie bereits deutlich angezogen.

Die hohe Inflation zehrt nun insbesondere auch die Lohnzuwächse auf – und das in einem nie da gewesenen Ausmaß. Nach Angaben des WSI-Tarifarchivs der gewerkschaftsnahen Böckler-Stiftung steigen die Tariflöhne in Deutschland 2022 gegenüber dem Vorjahr um durchschnittlich 2,7%. Angesichts einer zu erwartenden Steigerung der Verbraucherpreise um 7,8% im Jahresschnitt ergebe sich hieraus ein durchschnittlicher Rückgang der tarifvertraglich vereinbarten Reallöhne von 4,7% (siehe Grafik). Das sei ein „in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bislang einzigartiger Reallohnverlust“, sagte der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulten.

„Die enorm gestiegene Inflation stellt die Tarifpolitik vor vollkommen neue Herausforderungen, auf die sie immer nur mit einer gewissen Zeitverzögerung reagieren kann“, sagte Schulten. So würden etwa aktuell vereinbarte, deutlich stärkere Tariferhöhungen und Inflationsprämien oft erst ab 2023 wirksam. Mit den insgesamt 2,7% liegt die durchschnittliche Erhöhung der Tarifvergütungen 2022 derweil oberhalb der Corona-Jahre 2020 (2,0%) und 2021 (1,7%); zugleich bleibt sie aber hinter den beiden Boomjahren 2018 und 2019 (3,0 und 2,9%) zurück.

Laut der Ifo-Studie gibt es aber auch „Gewinner“ der Inflation – auf Unternehmensseite. Höhere Preise für Energie und Vorleistungen allein erklärten nicht das Ausmaß der Inflation in Deutschland, heißt es in der Untersuchung. „Vielmehr scheinen Unternehmen in einigen Wirtschaftszweigen die Preissteigerungen dazu genutzt zu haben, ihre Gewinne auszuweiten“, sagte der Autor der Studie, der stellvertretende Leiter der Ifo-Niederlassung Dresden, Joachim Ragnitz. „Das gilt vor allem für den Handel, die Landwirtschaft und den Bau.“

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte ein Einschreiten des Staates. Die Inflationsrate sei zwar nach wie vor von den direkten und indirekten Effekten der Energiepreissteigerungen getrieben. „Unterbunden werden sollte aber die Praxis von Unternehmen, ihre Profite durch Preiserhöhungen zu maximieren, die deutlich über die eigenen Kostensteigerungen hinausgehen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell zu Reuters. „Dazu braucht es eine echte Übergewinnsteuer mit Biss und ein effektiveres Wettbewerbsrecht.“

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