Wahldebakel nährt Zweifel an Stabilität der neuen Bundesregierung
Wahldebakel nährt Zweifel an Stabilität der Regierung
Merz erst im zweiten Versuch zum Kanzler gewählt – Investoren zeigen sich nervös
ahe/wrü Berlin
Friedrich Merz ist wie erwartet zum neuen Bundeskanzler gewählt worden. Allerdings benötigte der CDU-Chef am Dienstag überraschend zwei Wahlgänge im Bundestag. Im ersten Versuch scheiterte der 69-jährige Sauerländer mit einer historischen Niederlage: Er erhielt lediglich 310 Ja-Stimmen – 18 weniger als die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD Abgeordnete haben und damit sechs Stimmen zu wenig. Damit scheiterte in der Geschichte der Bundesrepublik erstmals ein Kanzlerkandidat einer geplanten Regierungskoalition bei seiner Wahl im Parlament. Erst im zweiten Wahlgang, auf den sich Union, SPD, Grüne und Linke dann für den Nachmittag verständigt hatten, erhielt Merz die nötige Zustimmung: 325 Abgeordnete votierten für ihn als neuen Kanzler eines schwarz-roten Bündnisses.

Wer die Abweichler insbesondere im ersten Wahlgang waren, blieb unklar. In ersten Stellungnahmen warnten Vertreter aller Parteien vor den Verunsicherungen, die die Denkzettel-Wahl mit sich bringen könnte. Auch aus der Wirtschaft kam scharfe Kritik am Abstimmungsverhalten von Union und SPD. Die Hauptgeschäftsführerin des Industrieverbands BDI, Tanja Gönner, warnte: „Der Ausgang des ersten Wahlgangs weckt Sorgen, ob eine konstruktive und vertrauensvolle Regierungsarbeit möglich sein wird.“ Ein innenpolitisch gelähmtes Deutschland werde sich selbst und Europa schwächen.
Dax reagierte auf die neuen Unsicherheiten
Auch die Börsen hatten die Ereignisse im Bundestag im Fokus: Erleichtert hat der deutsche Aktienmarkt darauf reagiert, dass Merz im zweiten Wahlgang doch noch zum Kanzler gewählt wurde. Der Dax verzeichnete am späten Nachmittag nur noch ein Minus von 0,4%, und der MDax lag nur noch 0,7% unter Vortagsniveau. Unmittelbar nach dem gescheiterten ersten Wahlgang war es zu einem deutlichen Kurseinbruch gekommen. Dabei hatte der Dax bis zu 2,1% und der MDax bis zu 3,1% verloren. Unter Druck standen vor allem Rüstungswerte. „Mit Blick auf die Kapitalmärkte ist klar: Nichts verabscheuen die Märkte so sehr, wie Unsicherheit, und entsprechend hat der Dax auch schon reagiert“, erklärte Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International, nach dem ersten Wahlgang.
Unmittelbar nach seiner Wahl, auf die Ökonomen erleichtert reagierten, erhielt Merz im Schloss Bellevue seine Ernennungsurkunde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Eine Übergabe im Bundeskanzleramt von Amtsvorgänger Olaf Scholz war noch für den Abend geplant. Bereits für Mittwoch stehen erste Antrittsbesuche von Merz in Frankreich und Polen auf dem Programm.
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