Konjunktur

Wende an Chinas Immobilienmarkt

Am chinesischen Immobilienmarkt kippt die Stimmung. Erstmals seit Jahren ist ein Preisrückgang bei Wohnimmobilien festzustellen. Das droht die bereits flauer wirkende Konjunktur zu belasten.

Wende an Chinas Immobilienmarkt

nh Shanghai

Die laufende Verschuldungskrise bei chinesischen Immobilienentwicklern läutet in Verbindung mit Restriktionen zur Unterbindung von spekulativen Wohnungskäufen eine Wende am Wohnimmobilienmarkt im Reich der Mitte ein. Am Mittwoch verbreitete Häusermarktdaten des chinesischen Statistikbüros zeigen für den September erstmals seit sechs Jahren wieder einen Preisrückgang für neu verkaufte Wohnflächen im Vergleich zum vorangegangenen Monat an. Auf Basis der neuen Preisdaten des Pekinger Statistikbüros für 70 chinesische Großstädte und Ballungsgebiete errechnen Analysten einen leichten Rückgang des Durchschnittspreises für Neuwohnungen von knapp 0,1%.

Verschärfte Restriktionen

Nach einem zunächst wieder kräftigen Anziehen der Häuserpreise in den ersten Monaten des Jahres hatte die chinesische Regierung die Zügel angezogen und mit verschärf­­ten Hypothekenkreditauflagen undanderen lokalen Restriktionsmaßnahmen wie zum Beispiel einer Mindesthaltefrist für neu erworbene Immobilien eine Dämpfung des Wohnungspreisanstiegs erwirkt. Seit dem Frühjahr sieht man eine rapide Verringerung der Häuserpreisinflation, die nun erstmals wieder zu einem für China höchst seltenen Preisrückgang im Monatsvergleich führt (siehe Grafik).

Die verhältnismäßig rasche Preisabkühlung steht zweifelsohne auch in einem Zusammenhang mit den zur Jahresmitte manifest gewordenen Zahlungsnöten von hoch verschuldeten chinesischen Bauträgern, allen voran der mittlerweile akut pleitegefährdeten Evergrande Group. Die Liquiditätsklemme des zweitgrößten Immobilienentwicklers des Landes ist gegenwärtig ein beherrschendes Thema an Chinas Finanzmärkten und färbt auch stark auf das Immobiliensentiment ab, zumal Evergrande wegen säumiger Zahlungen an Lieferanten und Baukontraktpartner bei einer Reihe von großen Wohnimmobilienprojekten in Verzug geraten ist.

„Evergrande-Effekt“

Die Pleitegefahr der auf einem Schuldenberg von über 300 Mrd. Dollar sitzenden Evergrande zeitigt breitere Ansteckungsgefahren im Wohnimmobilienmarkt, zumal zahlreiche andere Immobilienentwickler mit hohen Verschuldungsrelationen hantieren und mittelbar Gefahr laufen, in Zahlungsschwierigkeiten zu geraten. Die Gesamtverschuldung chinesischer Immobilienentwickler wird seitens der Investmentbank Nomura auf rund 33,5 Bill. Yuan (knapp 4,5 Bill. Euro) veranschlagt, was in etwa einem Drittel des chinesischen Bruttoinlandsprodukts entspricht.

Entsprechend greift die Nervosität im Markt inzwischen auf chinesische Wohnungskäufer über. Diese müssen in der Regel in Vorkasse treten, um die Finanzierung von Apartmentkomplexen zu ermöglichen, und befürchten, dass von Evergrande oder anderen wackelnden Bauträgern verantwortete Wohnungsbauprojekte durch eine Insolvenzproblematik verschleppt werden. Der „Evergrande-Effekt“ führt denn auch zu einer ungewöhnlichen Käuferzurückhaltung im Wohnungsmarkt. Im September wurde ein Rückgang der verkauften Wohnungsflächen um 17% gegenüber Vorjahr registriert. Dabei setzt der gebremste Verkaufsumschlag von Neuwohnungen die Liquiditätslage der Immobilienfirmen freilich weiter unter Druck.

Beruhigungstaktik

In Anbetracht der Tatsache, dass Chinas Immobiliensektor und ihm angelagerte Dienstleistungen für rund ein Viertel des chinesischen Bruttoinlandsprodukts aufkommen, ist die wackelige Verfassung des Wohnungsmarktes ein ernstes Thema für die chinesische Regierung in einem sowieso schon angegriffenen Konjunkturumfeld. Zu Wochenbeginn erst hatte eine deutliche Entschleunigung des chinesischen BIP-Wachstums auf 4,9% im dritten Quartal Ökonomen alarmiert.

Oberstes Gebot für Peking Wirtschaftslenker ist es nun, das angegriffene Sentiment am Immobilienmarkt nicht in eine Panikwelle umschlagen zu lassen. Am Mittwoch beteuerten denn auch Chinas Vizepremierminister Liu He und Zentralbankgouverneur Yi Gang unisono auf einem Finanzkongress, dass die Risiken kontrollierbar seien und der heimische Immobilienmarkt eine insgesamt gesunde Verfassung aufweise. Der Vizegouverneur der People’s Bank of China (PBOC) Pan Gong­sheng sprach zudem von einer graduellen Korrektur einer exzessiven Kreditverknappung für Immobilienfinanzierungen und deutete damit eine mögliche Lockerung von Re­striktionen bei Hypothekenkrediten an. Der Chef der Bankenaufsichtsbehörde Yi Huiman wiederum versicherte, dass man Schuldenprobleme bei der Immobilienfinanzierung angehe und Zahlungsausfallrisiken am Bondmarkt im Griff habe.

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